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Die Konstruktionen von Gruppenidentität durch religiös begründete Heiratsverbote. Literarhistorische, rechtshistorische und sozialgeschichtliche Aspekte der sog. 'Mischehenfrage' in der persischen Provinz Yehud

Fachliche Zuordnung Katholische Theologie
Förderung Förderung von 2007 bis 2011
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 48574867
 
Erstellungsjahr 2011

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Im Rahmen der Projektarbeit konnte ein klares Bild der Entwicklung des Mischehediskurses innerhalb der Hebräischen Bibel und der mit ihr verbundenen späteren Texte des hellenistischen Judentums erarbeitet werden. Zunächst wurde der rezente Forschungstrend hinsichtlich der Datierung einer Reihe biblischer Texte insofern bestätigt, als die relevanten Texte in die nachexilische Zeit eingeordnet wurden. Ein eindeutiger vorexilischer Referenzpunkt konnte nicht identifiziert werden, wie wohl die Möglichkeit der Existenz von Endogamieregeln bereits vor dem babylonischen Exil nicht auszuschließen und diese Annahme sozial- und literargeschichtlich durchaus plausibel bleibt. Entgegen der Mehrheitsmeinung in der rezenten Forschung, ist in dem Projekt eine diachrone Differenzierung innerhalb der Mischehedebatte herausgestellt worden, d.h. das Thema ist nicht allein in einer bestimmten Phase der Perserzeit zu verorten. Vielmehr entwickelt sich die Position zu den Konnubien über die gesamte Periode persischer Herrschaft hinweg sowie darüber hinaus in hellenistischer Zeit kontinuierlich weiter. Als Übergang zwischen persischer und hellenistischer Zeit war das Esra-Nehemiabuch als Schlüsseltext ausgemacht worden. Die Begründung für eine Mischehen gegenüber kritische Haltung war als untrennbar mit der Definition der Identität der In-Group verflochten definiert worden. Als Hilfe zur Strukturierung der Diskussionslage wurden die Mischehen ablehnenden Texte in drei Hauptlinien systematisiert, was einen Ansatz für die Erstellung einer relativen Diachronie bietet: 1. Texte, die Mischehen ohne nähere Begründung moralisch ablehnen und Familienendogamie befürworten; 2. Texte, die Mischehen verbieten, weil sie in ihnen eine Gefährdung des Ausschließlichkeitsanspruchs des Gottes Israels gesehen werden; 3. Texte, die eine Positionierung der Priesterschaft zum Thema Mischehen vornehmen. Eine vierte Gruppe repräsentieren die Textzeugnisse, welche die älteren Begründungsmuster aufnehmen, kombinieren und sie weiterentwickeln. Darin wird die Tendenz zu einer Definition von Identität sichtbar, die weit komplexer ist, als die in den älteren Linien festzustellende. Insbesondere die Rezeption der Begründungsgruppen 2 und 3 ist strukturbildend: Reinheit und Heiligkeit als Domäne der Priester werden als Kategorien auf die Gemeinde angewendet. Sie werden als durch Mischehen gefährdet angesehen. Dabei werden das Heiligtum und die Näherbestimmung der Bedeutung seiner Verbindung mit dem Volk zum archimedischen Punkt. Findet sich diese Vorstellung vor allem in den späten Mischehentexten der Bücher Esra-Nehemia und bleibt fortan bestimmendes Motiv, so zeigt sich hierbei eine zum Ende der persischen Zeit deutlich zunehmende religiöse, soziale und politische Bedeutung des Jerusalemer Zentralheiligtums, die sich auch in späterer Zeit durchhält. Damit hängt einerseits die Qualifizierung der In-Group als „heiliges Volk“ zusammen, andererseits aber auch die zunehmende politische Bedeutung des Hohepriesteramtes. Später aufbrechende Auseinandersetzungen religiöser Parteiungen im Frühjudentum, etwa zwischen Pharisäern und Sadduzäern resp. zwischen der für eine Reihe von Qumrantexten verantwortlich zeichnenden Gemeinschaft, sowie zwischen Juden und Samaritanern haben ihre Wurzeln folglich in einem Identitätsdiskurs, dessen Wurzeln anhand der Mischehenfrage bis in die Perserzeit zurück verfolgt werden kann und der am Übergang zwischen persischer und hellenistischer Zeit paradigmatisch an Schärfe gewinnt. Die Zuspitzung der Endogamiedebatte ist vor dem Hintergrund der in neuerer archäologischer Forschung erst zum Ende der Perserzeit und vor allem danach angenommenen demographischen Zunahme in der Provinz Yehûd zu verstehen. Der ideologische Einfluss der sog. babylonischen Gola war nicht zu leugnen. Die Existenz in der Diaspora und eine daraus resultierende Ideologie der Abschottung resp. Separation kann aber nicht als Erklärung für die Entwicklung der Ablehnung exogamer Konnubien herhalten. Dagegen sprechen auf der einen Seite außerbiblische Quellen wie Eheverträge aus dem ägyptischen Elephantine und Dokumente aus Al-Yahudu, welche für eine gute Integration von Diaspora-Gruppen sprechen, die auch Ehen mit Nicht-Judäern einschließen. Abgesehen davon spricht etwa das spät datierte Auftreten der Definition Israels als „Gola“ in dem breiten Mischehentext Esra 9-10 in Verbindung mit dem Fehlen archäologischer Daten über eine größere Rückkehrerwelle eher dafür, dass die Exilsgeschichte Israels als identitätsbildende Meta-Erzählung zu verstehen ist. Zwar sollte der Einfluss der Diasporagemeinden, insbesondere in Mesopotamien nicht unterschätzt werden, doch kann der Mischehendiskurs nicht als Folge einer Überlebensstrategie einer Minoritätsgruppe in Mesopotamien erklärt werden. Movens ist dagegen die – u.a. von den Diasporagruppierungen beeinflusste – langsame Entwicklung einer jüdischen Identität, welche von einer schriftstellerisch produktiven Gruppe schließlich durch Heiligkeit und Reinheit definiert wird. Diese Entwicklung wird durch eine Modifikation der Segregationstendenzen begleitet. Ferner konnte herausgestellt werden, dass weder innerhalb der Hebräischen Bibel noch in der späteren Tradition eine einheitliche Positionierung zum Thema Endogamie entwickelt worden ist. Vielmehr reagiert eine Reihe von Texten mit einer eher inklusivistischen Ausrichtung und bietet so Gegenkonzepte an.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • "Mein Bund mit ihm war das Leben und der Friede". Priesterbund und Mischehenfrage, in: C. Dohmen/C. Frevel (Hg.), Für immer verbündet. Studien zur Bundestheologie der Bibel. FS F.-L. Hossfeld (SBS 211), Stuttgart 2007, 85-94
    C. Frevel
  • Gen 34,31 - "Ein stolzes Wort!"?, in: K. Schiffner u.a. (Hg.), Fragen wider die Antworten. FS J. Ebach, Gütersloh 2010, 194-209
    C. Frevel
  • Moloch und Mischehen. Zu einigen Aspekten der Rezeption von Gen 34 in Jub 30, in: U. Dahmen/J. Schnocks (Hg.), Juda und Jerusalem in der Seleukidenzeit. Herrschaft - Widerstand - Identität. FS H.-J. Fabry (BBB 159), Göttingen 2010, 161-187
    C. Frevel
  • All the same as Ezra? Conceptual Differences between the Texts on Intermarriage in Genesis, Deuteronomy 7 and Ezra, in: C. Frevel: Mixed Marriages. Intermarriage and Group Identity in the Second Temple Period (LHBOTS 547), London / New York 2011, 89-108
    B. Conczorowski
  • Deepening the Water: First Steps to a Diachronic Approach on Intermarriage in the Hebrew Bible, in: C. Frevel: Mixed Marriages. Intermarriage and Group Identity in the Second Temple Period (LHBOTS 547), London / New York 2011, 15–45
    C. Frevel/B. Conczorowski
  • Mixed Marriages. Intermarriage and Group Identity in the Second Temple Period (LHBOTS 547), London / New York 2011
    C. Frevel
  • Separate Yourself From the Gentiles” (Jub. 22:16): Intermarriage in the Book of Jubilees, in: C. Frevel: Mixed Marriages. Intermarriage and Group Identity in the Second Temple Period (LHBOTS 547), London / New York 2011, 220-250
    C. Frevel
  • The Discourse on Intermarriage in the Hebrew Bible, in: C. Frevel: Mixed Marriages. Intermarriage and Group Identity in the Second Temple Period (LHBOTS 547), London / New York 2011, 1-15
    C. Frevel
  • Understanding the Mixed-Marriages of Ezra-Nehemiah in the Light of Temple- Building and the Book’s Concept of Jerusalem, in: C. Frevel: Mixed Marriages. Intermarriage and Group Identity in the Second Temple Period (LHBOTS 547), London / New York 2011, 109-131
    J. Clauß
  • Ungeliebte Schwiegertöchter. Mischehen und die Suche nach Identität in der Provinz Jehud, Welt und Umwelt der Bibel 16/3 (2011), 60-64
    C. Frevel/B. Conczorowski
  • Grundriss der Geschichte Israels, in: E. Zenger u.a., Einleitung in das Alte Testament, 7. Aufl., Stuttgart 2008, 587-731; 8. Aufl. 2012, 701-870
    C. Frevel
 
 

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