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Auseinandersetzungen um 'das Soziale' – Hin zu einer bewegungsbasierten ethnografischen Sozial(staats)regimeanalyse

Antragstellerin Dr. Lisa Riedner
Fachliche Zuordnung Ethnologie und Europäische Ethnologie
Förderung Förderung seit 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 490697580
 
Während die Architektur des Sozialstaats nicht nur in Deutschland wieder einmal in Bewegung kommt, gibt es noch keine kulturanthropologische Forschung, die auf lokale Sozial(staats)regime fokussiert. Mit fünf bewegungsbasierten ethnographischen Sozial(staats)regimeanalysen in krisengeschüttelten Städten des globalen Nordens adressiert die Forschungsgruppe die folgenden sechs Forschungslücken – und ihre komplexen Verflechtungen: (1) Aktuelle kulturanthropologische Debatten um urbane Dynamiken, Migration, Arbeit, Care und das Politische lassen Sozial(staats)regime meist unbeleuchtet – besonders im deutschsprachigen Raum. So konnten auch mögliche Interventionen einer Kulturanthropologie des ‚Sozialen‘ in das interdisziplinäre Feld der (vergleichenden) Wohlfahrtsforschung noch nicht ausreichend erschlossen werden. (2) In jüngster Zeit wird in der Migrationsforschung der Ruf laut, Gesellschaftsforschung zu migrantisieren, sowie Migrations- und Sozialpolitik enger zusammenzudenken. Viele empirische Studien versäumen aber, Machtdynamiken wahrzunehmen, die über die Unterscheidung zwischen ‚Migrant*innen‘ und ‚Nicht-Migrant*innen‘ hinausweisen, und umkämpfte Grenzziehungen des ‚Sozialen‘ zu verstehen, die verschiedene politische Territorien durchziehen. (3) Neuere feministische Debatten machen auf die komplexen Verstrickungen zwischen Staat und Sorgearbeit in von Rassismus, Klassismus und Sexismus geprägten Verhältnissen sowie auf Mobilität als Praxis sozialer Reproduktion aufmerksam. (4) Forschungen zur Prekarisierung von Arbeit fokussieren tendenziell nur auf migrantische Arbeit oder vernachlässigen die Wirkmächtigkeit von Rassismus im Feld der Lohnarbeit. (5) Die postkoloniale Stadtforschung diskutiert, wie sich Nekropolitiken nicht nur in den Städten des Globalen Südens und in gewalttätigen Grenzregimen artikulieren, sondern zunehmend auch innerhalb der Stadtgesellschaften im Globalen Norden. Empirische Forschung zu Obdachlosigkeit, urban citizenship und urbaner Ungleichheit ist jedoch oft nicht mit diesen Debatten verbunden. (6) Der Ansatz der bewegungsbasierten Forschung in den US-amerikanischen critical urban studies wurde zumindest im europäischen Kontext noch nicht mit den Debatten um eine engaged anthropology in Dialog gebracht. Um diese Forschungslücken zu adressieren, arbeitet die Forschungsgruppe eng mit lokalen Basisorganisationen zusammen, die soziale Kämpfe des Alltags führen und sich mehrsprachig und über Statusgruppen und Nationalitäten hinweg organisieren. Der erste Teil des Projekts ist in Berlin, Frankfurt a.M. und Oldenburg angesiedelt. Der zweite Teil eröffnet eine transnational vergleichende Perspektive mit Studien in London (UK) und Los Angeles (USA). Der bewegungsbasierte erkenntnistheoretische Blickwinkel soll ein differenziertes Verständnis der Prozesse, die 'das Soziale' konstruieren, strukturieren und begrenzen, ermöglichen.
DFG-Verfahren Emmy Noether-Nachwuchsgruppen
 
 

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