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Essayistische Lebensformen im anglophonen Roman vom 18. bis 21. Jahrhundert
Antragsteller
Dr. Alexander Scherr
Fachliche Zuordnung
Europäische und Amerikanische Literatur- und Kulturwissenschaften
Förderung
Förderung seit 2022
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 495041335
Das Projekt erforscht kulturell und historisch variierende Darstellungen essayistischer Lebensformen in anglophonen Romanen vom 18. bis hin zum 21. Jahrhundert. Obgleich der Roman als Medium der Modellierung von Lebensformen untersucht worden ist, haben Rückgriffe auf essayistische Schreibweisen in der englischsprachigen Erzählliteratur bislang nur relativ wenig Aufmerksamkeit erfahren. Diese Forschungslücke ist insofern überraschend, als es sich beim Essayismus um eine paradigmatische Lebensform handelt, die seit der Frühmoderne hegemoniale Wissenskulturen durch fragmentarische, unsystematische und formal offene Ansätze der Welterfahrung herausfordert. Anhand einer Auseinandersetzung mit essayistischen Lebensformen im Roman strebt das Projekt eine Neubetrachtung moderner Wissenskulturen an. Dadurch bereichert es aktuelle Debatten zu alternativen Wissensformen, die sich anhand von Begriffen wie 'Langsamkeit', 'Resonanz' und 'Ruhe' entwickelt haben. Im Hinblick auf die von Rita Felski vorgebrachten Denkanstöße wird Essayismus als besondere Form einer (post-)kritischen Theorie konzipiert, die sich ein utopisches Bewusstsein hinsichtlich der Gestaltungskraft von 'Formen' (im Sinne Caroline Levines) in intellektuellen Projekten jeglicher Art bewahrt.Indem es analysiert, inwieweit der Essayismus die Entwicklung des anglophonen Romans geprägt hat, trägt das Projekt zu einem Neuverständnis des eingefahrenen Verhältnisses zwischen Roman- und Erzähltheorie bei. Durch die Fokussierung auf vernachlässigte Erzähltraditionen liefert es eine Alternative zu etablierten Darstellungen, durch die das Augenmerk auf die Ursprünge des essayistischen Romans ebenso gelenkt wird wie auf seine (queer-)feministischen Traditionslinien und die Rückkehr des Essayismus im Roman der Gegenwart. Zur Analyse essayistischer Romane werden verschiedene narratologische Grundbegriffe rekonzeptualisiert (z.B. 'Plot', 'Ereignis' und 'Geschlossenheit'), die bis dato zumeist anhand des realistischen Romans entwickelt worden sind. Ein Grundinteresse, das in der Lektüre verschiedenster Romane von Jonathan Swifts /A Tale of a Tub/ bis hin zu Valeria Luisellis /Lost Children Archive/ zum Tragen kommt, richtet sich auf die narrativen Formen, durch welche die Texte einen Sinn essayistischen Schreibens, Denkens und Lebens vermitteln.Durch eine Orientierung an drei theoretischen Ebenen entwirft das Projekt Essayismus: a) als eine moderne Lebensform und anti-dogmatische Wissenseinstellung (interdisziplinäre Ebene); b) als ein gattungsübergreifendes ästhetisches Prinzip, das sich in der Geschichte des Romans manifestiert (literatur- und gattungstheoretische Ebene); c) als spezifische Einstellung zum Erzählen (narratologische Ebene). Die drei Dimensionen tragen zu einer Erörterung des epistemischen und ethischen Werts essayistischer Lebensformen bei und führen in letzter Konsequenz zu einer Neubewertung des Essayismus im Kontext der zunehmend beschleunigten Universität des 21. Jahrhunderts.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen