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Mensch, Stadt, Wasser: Gesundheit und Umwelt im Moskva-Wolga-Flusssystem (1860er Jahre bis 1941)

Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Wissenschaftsgeschichte
Förderung Förderung seit 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 498195065
 
Dieses Vorhaben thematisiert den kausalen Nexus von Volksgesundheit, Wasserversorgung und Wasserverschmutzung in Moskau zwischen Krimkrieg und Zweitem Weltkrieg. Ende des 19. Jahrhunderts konnten Moskaus Gewässer den Durst der wachsenden Bevölkerung und Industrie nicht mehr stillen. Bereits zu dieser Zeit erörterten Projekte, Flussläufe zu verändern oder mit ihrem Wasser Moskau zu versorgen. In den 1930er Jahren löste der Moskva-Wolga-Kanal das Problem der Moskauer Wasserversorgung. Die Klärung der Abwässer blieb aber unzureichend: Die Moskva spülte die Probleme fort, verlagerte sie in die Oka, die bei Nižnij Novgorod in die Wolga mündet. Die ökologischen Folgen fanden weder zeitgenössisch noch in der Forschung Beachtung. Die hier gewählte Perspektive thematisiert diskursive Bezugnahmen, wissenschaftliche und personale Verflechtungen, Wechselwirkungen und gescheiterte Transfers. Sie werden in vier Feldern behandelt. Zuerst wird die Infrastrukturgeschichte der Moskauer Wasserversorgung und Abwasserentsorgung behandelt. Der zweite Bereich erörtert die Rolle der Experten, ihre wissenschaftlichen Kontakte und öffentliches Wirken in Netzwerken und Assoziationen, auf (inter)nationalen Kongressen sowie bei der Hygienegesetzgebung. Bei letzterer sind die Interessenlagen der Beteiligten von den lokalen Selbstverwaltungsorganen über die diversen Ministerien bis hin zur Industrie und ihren Lobbyinstitutionen zu berücksichtigen. Wie verhandelten drittens die Gerichte angesichts einer disparaten und indifferenten Gesetzeslage Umweltdelikte? Welche Strategien verfolgten die Konfliktparteien, welche Rolle spielten Experten als Gutachter, wo verliefen innergesellschaftlich Konfliktlinien? Im Kontext der Wasserversorgung Moskaus sowie dem Bau der Wasserkraftwerke im Wolgaoberlauf gilt viertens das Augenmerk ökologischen Aspekten, nämlich inwieweit die Studien neben der technischen Machbarkeit Auswirkungen auf die Umwelt thematisierten und bei den Entscheidungen überhaupt berücksichtigten. Die Untersuchung greift Fragestellungen der Umwelt-, Medizin-, der Politik-, Gesellschafts-, Wirtschafts-, der Technik-, Wissens- und Wissenschaftsgeschichte auf. Die Konzepte der Risikogesellschaft und Katastrophenkulturen prägen den analytischen Rahmen. Er soll einer teleologischen bzw. rückwärts erzählten Geschichte vorbeugen, die ihren Ausgangspunkt in Umweltkatastrophen wie dem Reaktorunfall von Černobyl‘ 1986 hat. Diese gelten als charakteristisch für die späte Sowjetunion. Das Projekt untersucht, inwieweit die für die Umweltverhältnisse des Poststalinismus geprägten Begriffe „Ökozid“ oder „Katastrojka“ bereits vor 1941 in dem Handeln wesentlicher Akteure angelegt waren bzw. durch spezifische strukturelle Handlungsbedingungen gerahmt wurden. Erwiesen sich die zunehmenden ökologischen Probleme als „zufällig“, kontingent, als „ungesehene Nebenfolgen“ oder „latente Nebenwirkungen“ oder waren sie bewusst „von Gesellschaften und Herrschenden selbst produziert“?
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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