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Gelähmte Körper und eingeschränkte Bewegungsapparate – eine diachrone Perspektive auf Im/mobilität in der französischen Literatur (XVII-XXI Jh.)

Antragstellerin Dr. Daniela Kuschel
Fachliche Zuordnung Europäische und Amerikanische Literatur- und Kulturwissenschaften
Förderung Förderung seit 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 498270478
 
Die Beschäftigung mit gesellschaftlichen Kategorisierungsprozessen und Fragen nach Hierarchie, Differenz, und stereotypen Attributen ist fester Bestandteil der Wissenschaftslandschaft. Seit den späten 1990er Jahren ist, vor allem mit der Begründung der Disability Studies, in diesem Zusammenhang auch eine Hinwendung zu literarischen und medialen Repräsentationen von Behinderung zu verzeichnen. In diese Forschungsbewegung schreibt sich das vorliegende Projekt ein und untersucht die Repräsentationen von Lähmungen und Gehstörungen in der französischen Literatur aus einer diachronen Perspektive. Basierend auf einer Auswahl kanonisierter Texte - von der französischen Klassik über die Aufklärung bis in die Gegenwart (XVII–XXI. Jh.) - soll mit Hilfe einer diskurs- und disabilitykritischen Analyse untersucht werden, wie in emblematischen, für die Konstitution eines nationalen Wertekanons bedeutsamen, literarischen Diskursen Lähmungen und Gehstörungen, die eng mit Vorstellungen über (soziale) Im/mobilität verbunden sind, thematisiert werden. Außerdem wird untersucht, wie die repräsentierten körperlichen Abweichungen auch die „Regime der Normierung und Normalisierung“ (Waldschmidt 2007), denen die Körper ausgesetzt sind, widerspiegeln. Diese kritische Überprüfung des Kanons erlaubt aufzuzeigen, wie die Diskurse von Norm und Abweichung den ‚Gesellschaftskörper‘ konstruieren, der wiederum der Konstitution eines nationalen Selbstverständnisses dient. Dabei stehen die literarischen Diskurse in Wechselbeziehung zu anderen (u.a. medizinischen und politischen) Diskursen. Anhand markierter historischer Schwellen (z.B. der Aufklärung) sollen punktuell die jeweiligen Körperdiskurse untersucht und in Beziehung zueinandergesetzt werden. Die Analyse der unterschiedlichen Ausprägungen des thematischen Aspekts und seiner literarischen Umsetzung erlauben es, die unterschiedlichen Funktionen der Lähmungserscheinungen in den Texten zu ergründen. Es ist anzunehmen, dass Lähmung vor dem Hintergrund normativer Bewegungsabläufe, die metonymisch für die gesamte Funktionalität des Körpers stehen, als dysfunktional wahrgenommen werden und über diese Abweichung das jeweilige Verständnis der Relation von Behinderung, Gesellschaft, und sozialer Mobilität reflektieren.Ein solcher Blick auf die Diskursgeschichte kann das Bewusstsein für Ausschlie-ßungsmechanismen und Wertehierarchien schärfen. Mit der Betrachtung der Lähmungsthematik und der Frage nach der sozialen Im/mobilität möchte das Forschungsprojekt einen Beitrag zu einer spezifischen Literaturgeschichte der Behinderung leisten und die so gewonnenen Erkenntnisse nicht nur für die Literatur- und Medienwissenschaften, sondern für einen breiteren gesellschaftlichen Kontext produktiv machen.
DFG-Verfahren WBP Stelle
 
 

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