Multi-Anvil-Hochdruckpresse
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die Entwicklung und Verwendung (großvolumiger) Hochdruckpressen in Wissenschaft und Technologie hat über die vergangenen etwa 100 Jahre einen wechselvollen Weg durch verschiedene Felder und Disziplinen beschritten. Angefangen von bahnbrechenden grundlagenwissenschaflichen Arbeiten zum Verhalten von Elementen und Verbindungen unter extremen Drücken, vor allem durch Percy Bridgeman am Anfang des 20. Jahrhunderts bis hin zur von kommerzieller Seite in den 1940er bis 1960er Jahren intensiv vorangetriebenen Forschung zur Synthese von synthetischem Diamant und anderen Hartstoffen. Nach deren Industrialisierung wurde die Entwicklung und Nutzung von Hochdruckpressen als wissenschafliches Instrument vor allem in den Geowissenschaften (Mineralphysik, Kristallographie, Mineralogie, Geochemie) vorangetrieben. Seit etwa den 1990er Jahren weitet sich das Feld der Anwender der so genannten Multianvil-Technologie. So haben seit dieser Zeit in Deutschland und Europa vor allem zahlreiche (inner- und außeruniversitäre) Institute mit Forschungschwerpunkten auf dem Gebiet der Chemie und der Materialwissenschaften Multianvilpressen beschafft. Die im Rahmen des Freiberger Hochduckforschungszentrums geführte und durch den DFG-Großgeräteantrag beschaffte Multianvilpresse reiht sich hier ein. Forschungsschwerpunkt sind harte, refraktäre, keramische Materialien, überwiegend auf Basis von Hochdruckmodifikationen von Nitriden und Oxid-Nitriden. Wie so oft bei der Hochdruckforschung liegen hier grundlagenwissenschaftliche Fragestellungen und mögliche Anwendungen sehr nahe beieinander. So stellt z.B. das im Rahmen eines Projektes (www.spp1236.de) ''Strukturen und Eigenschaften von Kristallen bei extrem hohen Drücken und Temperaturen'' untersuchte Elementsystem Si-Al-O-N eine Erweiterung der auf der Erde mit am häufigsten vorkommenden Minerale und Gesteine auf Basis der Alumosilikate (Si-Al-O) dar. Es ist daher von grundlegendem Interesse, das Verhalten des Systems Si-Al-O-N bei hohen Drücken und Temperaturen zu erforschen, um Parallelen und Gegensätze zur rein oxidischen "Hochdruckchemie" im Erdinnern herauszuarbeiten. Darüber hinaus könnte das Element Stickstoff in Form von Nitriden oder Oxid-Nitriden in der Geologie anderer Planeten oder extraterrestrischer Körper durchaus eine Rolle spielen. Zum andern hat sich bereits erwiesen, dass synthetische keramische Materialen im System Si-Al-O-N hervorragende anwendungsrelevante Eigenschaften wie eine hohe Härte, hohe chemische- und Tempereaturbeständigkeit, sowie als Wirtsgitter zum Einbau photolumineszenter Ionen geeignete Kristallstrukturen aufweisen. Die Erzeugung superharter Nanokomposite durch direkte hochdruck-hochtemperaturinduzierte Umwandlung von chemisch synthetisierten Ausgangsmaterialien welche im Rahmen des DFG-Projekts (www.spp-nanomat.de) "Nanoskalige anorganische Materialien durch molekulares Design" untersucht wird, hat ebenfalls sowohl grundlagenwissenschaftliche als auch anwendungstechnische Aspekte. So soll anhand des Prototyp-Materials Bornitrid die Kristallographie und die Rolle verschiedener Mikrostrukturdefekte beim Zusammenspiel zwischen displaziven (martensitischen) und diffusiven Umwandlungsprozessen in die Hochdruck-modifikationen w-BN und c-BN, sowie ihr Einfluß auf die mechanischen Eigen-schaften des (nanokristallinen) Produktes erforscht werden. Weiterer Gegenstand dieses Forschungsprojektes ist das Elementsystem Ti/(Al)/Si/N, welches in Form superharter, nanokristalliner Beschichtungen auf Werkzeugen schon länger im industriellen Einsatz ist. Hier sollen durch Hochdruck-Sintern erstmals massive Formkörper mit ähnlicher Nanostruktur hergestellt werden. Die Ausgangsmaterialien werden dabei aus metallorganischen Vorstufen hergestellt. Ebenfalls um die Entwicklung neuer Hartstoffe mit Hochdruck-Hochtemperaturmethoden geht es in einem Teilprojekt des Freiberger Hochdruckforschungszentrums (FHP, http://tu-freiberg.de/ze/hochdruck/), welches durch die Dr.-Erich Krüger Stiftung der TU-Bergakademie gefördert wird. In einem interdisziplinären Verbund von 8 Arbeitsgruppen innerhalb der TU soll die gesamte Kette, von der theoretischen Vorhersage neuer Hartstoffe, über deren Synthese und Charakterisierung bis zur Anwendung beim Tiefbohren von Hartgesteinen durchlaufen werden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Interference phenomena in nanocrystalline materials and their application in the microstructure analysis. Z. Kristallogr. Suppl. 27 (2008) 15-26
D. Rafaja, V. Klemm, Ch. Wüstefeld, M. Motylenko, M. Dopita, M. Schwarz, T. Barsukova, E. Kroke
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Synthesis, microstructure and hardness of bulk ultrahard BN nanocomposites. Journal of Materials Research 23 (4) (2008) 981-993
Rafaja, D.; Schwarz, M.; Barsukova, T.; Kroke, E.; Motylenko, M.; Klemm, V.; Frost, D.; Dubrovinsky, L. & Dubrovinskaia, N.
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XRD and HRTEM study of coherence phenomena in ultra-hard BN nanocomposites. Z. Kristallogr. Suppl. 27 (2008) 45-52
M. Motylenko, V. Klemm, G. Schreiber, D. Rafaja, M. Schwarz, T. Barsukova, E. Kroke
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In-situ synchrotron radiation study of bulk BN nanocomposites during HP/HT conversion at MAX200x using improved pressure cell design. HASYLAB Annual Report, 2009, 887-888
C. Schimpf, T. Barsukova, M. Schwarz, D. Simek, C. Lathe, D. Rafaja, E. Kroke
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Nützliche Defekte. Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg (2009) 39 – 43
David Rafaja, Edwin Kroke
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"Multianvil calibration and education: A four probe method to measure the entire force-versus-pressure curve in a single run – performed as an interdisciplinary lab-course for students" Journal of Physics: Conference Series, 2010, 215, 012193
Schwarz, M. R.