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Extraterritoriale Jurisdiktion zwischen Formalität und Funktionalität

Antragsteller Kevin Li
Fachliche Zuordnung Öffentliches Recht
Förderung Förderung von 2022 bis 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 499582385
 
Diese Arbeit setzt sich kritisch mit der Funktionalität des völkerrechtlichen Jurisdiktionssystems auseinander. Im Rahmen einer vergleichenden Analyse der USamerikanischen und europäischen Staatenpraxis dekonstruiert sie die Legitimität der völkerrechtlich anerkannten Anknüpfungspunkte für die Ausübung extraterritorialer Regelungsgewalt. Im Anschluss daran wird eine Neukonzeption vorgeschlagen, die die zulässige Reichweite extraterritorialer Jurisdiktion über ihre Funktion als Ausübung hoheitlicher Gewalt zu bestimmen versucht. Die völkergewohnheitsrechtlichen Regeln über die Ausübung von Regelungsgewalt sind zutreffend als „the laws on laws“ bezeichnet worden, da sie die äußeren Grenzen der staatlichen Rechtsetzung markieren. Traditionell wurden diese Regeln eng mit dem Grundsatz der territorialen Souveränität verknüpft. Dennoch regeln Staaten zunehmend extraterritoriale Sachverhalte, die auch oder überwiegend mit den Interessen anderer Staaten verbunden sind: Die US-amerikanischen Wirtschaftssanktionen im Hinblick auf die Nord Stream 2-Pipeline bilden ein Paradebeispiel hierfür. Solche Maßnahmen sind jedoch nicht mehr auf die Vereinigten Staaten beschränkt: Beispielsweise hat erst kürzlich die britische Betrugsbekämpfungsbehörde Ermittlungen gegen einen kanadischen Flugzeughersteller wegen Bestechung in Indonesien eingeleitet. Vor diesem Hintergrund fragt es sich, ob eine Diskrepanz zwischen der anerkannten Zuschreibung von Jurisdiktion und der Ausübung von Regelungsgewalt in der Praxis existiert. Im Wege einer vergleichenden Analyse der Staatenpraxis in vier Referenzgebieten aus dem Bereich der Wirtschaftsregulierung untersucht diese Arbeit diese Lücke zwischen theoretischem Anspruch und tatsächlichem status quo. Die zentrale These der Arbeit ist, dass das auf dem Territorialitätsprinzip beruhende Jurisdiktionssystem zwar intuitiv eingängig erscheint, um die Regelungshoheit zwischenstaatlich zu verteilen; es wird aber der immer komplexeren Wirklichkeit internationaler Beziehungen nicht mehr gerecht. Tatsächlich ist einer der Grundvoraussetzungen für die Funktionalität des Territorialitätsprinzips nicht mehr gegeben; denn es wird zunehmend schwieriger, zwischen klar territorialen und klar extraterritorialen Maßnahmen zu unterscheiden. Darüber hinaus sind das Territorialitätsprinzip und die weiteren gewohnheitsrechtlichen Anknüpfungspunkte auch normativ nicht überzeugend. Insbesondere sind sie einseitig im Hinblick auf die staatliche Souveränität ausgerichtet und schließen weitere Erwägungen als Rechtfertigungsgründe im Grundsatz aus. Der in dieser Arbeit vorgeschlagene neue Ansatz versucht, sowohl die praktische als auch die normative Herausforderung zu bewältigen. Dabei wird plädiert, die Zulässigkeit der Ausübung extraterritorialer Regelungsgewalt nicht nur von der formalen Anknüpfung an das Territorium abhängig zu machen, sondern auch funktionale Aspekte, insbesondere die Legitimation und Begrenzung der hoheitlichen Gewalt, zu berücksichtigen.
DFG-Verfahren Publikationsbeihilfen
 
 

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