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Geschichtsschreibung im Modus der Invektivität. Die "Istorija o velikom knjaze Moskovskom" des Fürsten Andrej Kurbskij (1528–1583) als neue historische Darstellungsform

Antragstellerin Dr. Maike Sach
Fachliche Zuordnung Frühneuzeitliche Geschichte
Förderung Förderung seit 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 503941124
 
Fürst Andrej Michajlovič Kurbskij dürfte einer der bekanntesten Gegner des Zaren Ivan IV. Groznyj gewesen sein. Traditionell galt er als Verräter, mittlerweile aber auch als einer der ersten Dissidenten und Exilanten der russischen Geschichte. Seine Bekanntheit verdankt er vor allem der Überlieferung seiner Werke. Sie wurden zu zentralen Quellen zur Geschichte des so symbolträchtigen ersten Zaren, darunter der berühmte, polemische Briefwechsel zwischen Kurbskij und seinem einstigen Herrn wie auch Kurbskijs "Istorija o velikom knjaze Moskovskom". Hinsichtlich ihrer Aufteilung der Herrschaftszeit des Zaren in eine gute und eine böse Periode erlangte die "Istorija" besondere Wirkungsmacht in der Geschichtswissenschaft. Die "Istorija" soll hier jedoch nicht als historische Quelle im Mittelpunkt stehen, sondern als ein für seine Zeit neuartiges Werk der Geschichtsschreibung. Obwohl traditionell der altrussischen Geschichtsschreibung zugerechnet, konnte es in der vorliegenden Form nur außerhalb des Moskauer Staates und in produktiver Auseinandersetzung mit geisteshistorischen Entwicklungen aus dem westlichen Europa und den juristischen und verfassungsrechtlichen Strukturen entstehen, mit denen Kurbskij in Polen-Litauen konfrontiert wurde. Das Erlernen der lateinischen Sprache ließ Kurbskij nicht nur mit ihren stilistischen Besonderheiten vertraut werden, sondern auch mit theoretischen Grundlagen lateinischer Historiographie und späterer sich auf sie berufende Werke humanistischer Schriftsteller. Zur Bezeichnung seines Werks über Ivan IV. wählte er "Istorija" und grenzte seinen Text damit von den altrussischen Gattungen historischen Schreibens wie "letopis‘", "povest‘" oder auch "žitie" für Lebensbeschreibungen von Heiligen, aber auch Fürsten ab. Kurbskijs Werk soll hier im Kontext seiner Auseinandersetzung mit Ivan IV. und der auch im Briefwechsel greifbaren Streitkultur betrachtet werden. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf Invektiven liegen: Sie besaßen eine große Tradition in antiker Literatur, waren eine beliebte Waffe in konfessionellen Auseinandersetzungen und in intellektuellem Streit bei Humanisten und finden sich auch in der Korrespondenz des Zaren. Vor diesem Hintergrund sollen die Innovationen in der "Istorija" nach Art und Umfang und ihre weiteren historiographischen Implikationen näher bestimmt werden: Welche formalen Neuerungen in Struktur und Aufbau des Textes sind zu identifizieren? Wie sind sie im Vergleich mit der zeitgenössischen Moskauer Historiographie zu sehen? Sind die Neuerungen in der "Istorija" Ergebnis einer Transformation von literarischen Vorbildern, mit denen Kurbskij in Polen-Litauen in Kontakt gekommen ist? Welche Konsequenzen hat der Befund für die geschichtstheoretischen Annahmen und Positionen, die Kurbskijs Text eingewoben sind? Welche narrativen Strategien, welche Verfahren werden greifbar? Ist Kurbskijs Werk ein altrussisches Äquivalent zu lateinischen Fürstenbiographien, eine Anti-Vita?
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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