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Lebenshilfe im antiken Rom. Individuelle Strategien zum Umgang mit urbanen Herausforderungen im Spiegel der spätrepublikanischen und frühkaiserzeitlichen Literatur
Antragstellerinnen
Professorin Dr. Annemarie Ambühl; Professorin Dr. Christine Walde
Fachliche Zuordnung
Griechische und Lateinische Philologie
Förderung
Förderung seit 2022
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 504936196
Auf welche Ressourcen zur Lebensbewältigung konnten Individuen, die sich im sozialen Kontext der antiken Stadt Rom mit Herausforderungen und Lebenskrisen verschiedenster Natur konfrontiert sahen, zurückgreifen? Das Vorhaben nähert sich dieser Fragestellung auf der Grundlage der römischen Literatur der Späten Republik und der Frühen Kaiserzeit, in der Erfahrungswissen und kommunikative Handlungsanweisungen reflektiert und gespeichert sind.Im Unterschied zu vorherrschenden Herangehensweisen der bisherigen Forschung beschränkt sich das Projekt bewusst nicht auf die antike Philosophie als Textbasis, sondern betrachtet ein möglichst offenes Corpus von Texten, die ausgehend von autobiographischen oder generalisierend-fiktiven Erfahrungen der jeweiligen Autoren (u. a. Cicero, Ovid, Seneca) ihrem Zielpublikum Handlungsanweisungen im Sinn von akut und prospektiv anzuwendenden Praktiken der Lebenshilfe vorschlagen. Die den Texten als Kommunikationsstrategien eingeschriebenen Adressatenbezüge können als Anknüpfungspunkt dienen, die darin verhandelten Probleme und Lösungsansätze auch heutigen Lebenssituationen gegenüberzustellen und dadurch kulturspezifische bzw. kulturübergreifende Antworten herauszuarbeiten.Die untersuchten Herausforderungen decken ein breites Spektrum ab, das von persönlichen, etwa durch Krankheit oder den Alterungsprozess hervorgerufenen Krisen im individuellen Lebenslauf über Beziehungsfragen bis hin zu existentiellen gesellschaftlichen Problemlagen in Bezug auf soziale Kohäsion und Hierarchien reicht. Die antike Großstadt Rom wird einerseits als konkreter, sinnlich erfahrbarer Stadtraum verstanden, der das Individuum alltäglichen Stresssituationen aussetzt, andererseits als ideeller Raum konstruiert, der mit anderen Raumkonstrukten (z. B. ländlichen Räumen oder Exilorten) kontrastiert und dadurch noch deutlicher profiliert wird. An solchen Schnittstellen werden Spannungen zwischen individuellen und gesellschaftlichen Erwartungen und Praktiken sichtbar, beispielsweise bei der Trauerbewältigung.Ein Hauptziel des Arbeitsprogramms ist es, anhand exemplarischer ‚Probebohrungen‘ analytisch und interpretativ einen handbuchförmigen Katalog von Herausforderungen und den aus den Texten zu erschließenden diskursiven und kommunikativen Strategien zu deren Bewältigung zu erarbeiten. Zur methodischen und konzeptuellen Vertiefung werden weitere Horizonte wie die vorangehende und zeitgenössische griechische Literatur und die spätere Rezeption der untersuchten Werke vergleichend in den Blick genommen. Im interdisziplinären Dialog mit der Psychologie und Psychoanalyse sollen schließlich die gewonnenen Ergebnisse mit modernen Psychotherapieansätzen verglichen werden, um zu überprüfen, inwiefern die in den antiken Texten angebotenen Strategien zur Lebenshilfe unter anderem als deren Vorläufer reklamiert werden können.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen