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Das Erbe der deutschen Kolonialzeit in Afrika im Fokus des Tourist Gaze

Antragsteller Professor Dr. Hubert Job
Fachliche Zuordnung Humangeographie
Förderung Förderung von 2007 bis 2010
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 50807645
 
Erstellungsjahr 2010

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die Studie beschäftigt sich mit der Wahrnehmung des deutschen Kolonialerbes in Namibia aus Sicht deutscher Touristen. Namibia ist das Land in Afrika, welches die stärkste Durchdringung mit Elementen der deutschen Kolonialzeit aufweist. Darüber hinaus zeichnet sich dieses Land durch eine sehr hohe touristische Bedeutung des deutschen Quellmarktes aus. Weiterhin ist die gemeinsame koloniale Vergangenheit weder bilateral noch in Namibia aufgearbeitet, was der Thematik eine gesellschaftspolitische Komponente verleiht. Die Analyse der touristischen Wahrnehmungen basiert auf 103 qualitativen Interviews mit deutschen Touristen in Namibia. Neben der Perspektive der Reisenden werden Akteure untersucht, welche den ‚Blick„ der Touristen lenken und beeinflussen. Dabei kommen eine Inhaltsanalyse von deutschsprachiger Reiseliteratur sowie teilnehmende Beobachtungen bei Stadtführungen mit lokalen Reiseleitern in der Stadt zum Einsatz. Die Resultate zeigen, dass die Touristen das Erbe der deutschen Kolonialzeit als sehr heterogenes Phänomen interpretieren. Durch das Aufsummieren der vielfältigen Erfahrungen mit gelebtem und gebautem Kolonialerbe werden die Wahrnehmungen geographisch wirksam, da die Eindrücke auf Räume und Menschen übertragen werden und nicht auf punktuellen Elementen verharren. Aufgrund von Unterdrückung und Verbrechen in der Kolonialzeit sehen die befragten Touristen das deutsche Erbe in Namibia als ein ‚schwieriges' an, das kaum nostalgische Gefühle auslöst, sondern zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der Geschichte anregt. Der Grad dieser Dissonanz ist stark davon abhängig, inwieweit die koloniale Thematik nach Ansicht der Touristen in aktuellem Bezug steht oder aber als nicht mehr relevante Vergangenheit interpretiert wird. Neben der ‚Dissonanz' können die Touristen anhand der beiden weiteren Indikatoren ‚Interesse' – im Sinne einer Auseinandersetzung und Informiertheit – sowie ‚Attraktion' – als touristische Bedeutung – typologisiert werden. Die entscheidende Determinante für die Charakterisierung der Befragten stellt das Maß der empfundenen Dissonanz dar. Weiterhin lässt sich eine Differenzierung in Touristen mit einer vorbereiteten und organisierten und solche mit einer unvorbereiteten und spontanen Konfrontation mit dem deutschen Erbe vornehmen. Insgesamt können fünf Typen – ‚klassische Heritage-Touristen', ‚spontane Heritage-Touristen', ‚Kritiker', ‚historische motivierte Touristen' und ‚Sightseeing-Touristen' – identifiziert werden, wobei den drei erstgenannten eine Wahrnehmung als ‚schwieriges', dissonantes Erbe immanent ist. Abschließend kann festgehalten werden, dass Namibia mit dem Fokus auf Natur und ‚afrikanische' Kultur den richtigen Weg geht, um Touristen anzuziehen. Aus gesellschaftspolitischer Perspektive ist jedoch eine weitere – auch touristische – Aufarbeitung der Kolonialvergangenheit wichtig, da gerade Namibia heute noch wesentlich durch die deutsche Kolonialherrschaft geprägt ist und Fragen nach einer Landreform in Namibia weiter offen sind.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2009): Das Erbe der deutschen Kolonialzeit in Namibia im Fokus des Tourist Gaze deutscher Touristen. (= WGA Band 102). Würzburg
    Rodrian P.
  • „Wahrnehmung dissonanten Erbes des deutschen Imperialismus in Namibia: Eine Typisierung deutscher Touristen“, Geographische Zeitschrift, 2010
    Rodrian P.; Job, H.
 
 

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