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Dissens und Streitkultur im vormodernen China und Korea

Antragstellerinnen / Antragsteller Professorin Dr. Marion Eggert; Professor Dr. Heiner Roetz
Fachliche Zuordnung Asienbezogene Wissenschaften
Förderung Förderung seit 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 509758486
 
Zum nach wie vor auch politisch wirksamen Klischee von „kollektivistischen“ Gesellschaften mit konfuzianischer Tradition gehört die These, dass Dissens als grundlegende Meinungsverschiedenheit in ihnen keinen Platz habe. Zumal eine Streitkultur im Sinne der Austragung von Dissens durch offene Debatten auf der Suche nach dem besseren Argument werde durch alteingesessenes Hierarchiedenken erschwert bis unmöglich gemacht, wenn nicht als unnötig erwiesen. Das geplante Projekt will dieser Sicht ein differenzierteres Bild entgegenstellen. Es geht davon aus, dass Dissens und Meinungsstreit in den betreffenden Gesellschaften nicht nur de facto eine etablierte Praxis darstellten, sondern dass es auch und gerade im Kontext des Konfuzianismus (ein bei aller Problematik für dieses Vorhaben unverzichtbarer Begriff) eine zu Unrecht heruntergespielte Debattenkultur gab. Sie ist zweifellos von inneren Widersprüchen und Ambivalenzen nicht frei gewesen, hat historische Höhen und Tiefen erlebt und ist immer wieder durch einen politischen und sozialen Autoritarismus überlagert worden. Und doch ist nicht plausibel, dass nur letzterer und nicht auch die Debattenkultur das Bild der konfuzianisch beeinflussten Gesellschaften prägen sollte. Sie erscheint uns deshalb einer genauen Rekonstruktion wert. Dissens und Streitkultur im konfuzianischen Kontext sollen mit dem beantragten sinologisch-koreanistischen Projekt in diachroner und transnationaler Perspektive exemplarisch untersucht werden: Neben die Aufarbeitung ihrer in mancher Hinsicht modellhaften Frühgeschichte in der chinesischen „Zeit der Streitenden Reiche“ treten Fallbeispiele von Literaten-Debatten und ihrer Kritik aus dem China der Song-, Ming- und Qing-Zeit sowie aus dem durch den Konfuzianismus besonders (anders als Japan auch institutionell) geprägten Korea der Chosŏn-Dynastie. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen dabei nicht die zumeist bereits gut erforschten Inhalte der Debatten, sondern die bislang kaum untersuchte Reflexion des Debattierens selbst bzw. die Gründe, mit denen Streit und Dissens als solche legitimiert oder auch verurteilt werden. Die Erstellung eines historischen Lexikons von Schlüsselbegriffen und -phrasen, die jeweils für die Inanspruchnahme und Reflexion von Dissens genutzt wurden, wird dazu beitragen, die Wirkungsgeschichte der antiken Ressourcen in China und Korea differenziert zu erfassen.Die Ergebnisse der Untersuchung sollen in Form einer gemeinsam verfassten Monographie vorgestellt werden. Sie wird das Desiderat, die längst überfällige Geschichte des Dissenses und der Streitkultur im konfuzianischen Kontext zu schreiben, zwar nicht beheben können, soll aber doch einen wichtigen Beitrag dazu leisten. Zudem dürfte der – immer noch seltene – Versuch, vormoderne Quellen in sinologisch-koreanistischer Kooperation zu behandeln und dabei weder dichotomisierend noch konflationierend vorzugehen, auch einen methodisch relevanten Beitrag zu den Ostasienwissenschaften darstellen.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
Internationaler Bezug Irland
Kooperationspartner Professor Dr. Kiri Paramore
 
 

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