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Zentralbanken in schwierigen Zeiten: Wissen, Legitimität und Politik
Antragsteller
Dr. Benjamin Braun
Fachliche Zuordnung
Politikwissenschaft
Förderung
Förderung seit 2023
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 510239627
Zentralbanken erleben derzeit eine tiefe Wissens- und Legitimationskrise. Seit der globalen Finanzkrise von 2008 sind sie sowohl in der breiteren Öffentlichkeit als auch unter Expert*innen zunehmend umstritten. Wie navigieren Zentralbanken diese politisierte Landschaft? Wie entwickeln sich geldpolitische Theorie und Praxis unter dem neuen Legitimationsdruck? Die methodischen und empirischen Kenntnisse der vier beteiligten Forscher sind hochgradig komplementär und erlauben es dem Team, zur Beantwortung dieser Fragen eine innovative Forschungsstrategie zu verfolgen. KNOWLEGPO wird einen theoretischen Ansatz entwickeln, der das relationale Legitimitätsmanagement von Zentralbanken in den Mittelpunkt rückt. Methodisch wird das Projekt quantitatives Text Mining mit qualitativ-vergleichendem Process Tracing kombinieren. Im Zentrum unseres Ansatzes stehen drei Konzepte. Erstens postuliert KNOWLEGPO, dass jede Zentralbank gleichzeitig mit vier verschiedenen Öffentlichkeiten interagiert: mit Finanzmärkten, der Regierung, der breiten Öffentlichkeit, und mit anderen Expert*innen aus Wissenschaft und Praxis. Zweitens kann das Wissen der Zentralbank mehr oder weniger gesichert sein. Drittens variiert das Ausmaß der Politisierung des Zentralbankhandelns. Die zentrale Hypothese des Projekts lautet, dass Zentralbanken ihren Diskurs und ihr Handeln strategisch so ausrichten, um ein möglichst depolitisiertes und durch epistemischen Konsens geprägtes Umfeld zu schaffen. Beide Zustände – epistemischer Konsens und Depolitisierung – sind jedoch höchst instabil. Etablierte geld- und finanzpolitische Paradigmen neigen dazu, im Laufe der Zeit an Effektivität zu verlieren, während die Erwartungen der Öffentlichkeit die sich stets verändernden wirtschaftlichen und politischen Bedingungen widerspiegeln. KNOWLEGPO wird untersuchen, wie und warum sich das Zentralbankwesen innerhalb des Spannungsfelds von epistemischen und politischen Konflikten über die Zeit entwickelt. Das Projekt wird den gesamten Zeitraum seit Konsolidierung des „inflation targeting“ Paradigmas in den frühen 1990er Jahren abdecken und sich auf drei Politikbereiche konzentrieren: Geldpolitik und Finanzstabilitätspolitik – Themen, die seit langem zum Kernbereich des Zentralbankwesens gehören – aber auch die Frage des Klimawandels, mit dem sich viele Zentralbanken in jüngster Zeit verstärkt konfrontiert sehen. Aktuelle Debatten über den Umgang mit den zentralen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts machen nicht mehr, wie noch in früheren Jahren, halt vor den Zentralbanken. Dies sollte nicht überraschen – der Ausgang transformativer gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Entwicklungen wird zu nicht geringen Teilen davon abhängen, wie sich Zentralbanken zu den Fragen der wirtschaftlichen Ungleichheit, der globalen Erwärmung, und der staatlichen Handlungskapazität positionieren.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Internationaler Bezug
Frankreich
Kooperationspartner
Professor Matthias Thiemann, Ph.D.