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Die Konturen des Kolonialstaats. Steuer- und Haushaltspolitik in den deutschen Kolonien 1884-1914
Antragsteller
Privatdozent Dr. Marc Buggeln
Fachliche Zuordnung
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung
Förderung seit 2022
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 510638190
In allen Kolonien hingen die Erfahrungen und Auswirkungen des Kolonialismus ganz wesentlich davon ab, wie die Kolonialstaaten öffentliche Gelder einnahmen und ausgaben. Die Besteuerung war einer der umstrittensten Aspekte der Kolonialherrschaft. Die Sorge um einen ausgeglichenen Haushalt prägte die deutsche Kolonialpolitik auf jeder Ebene. In vielen Kolonien nahm das Eintreiben von Steuern einen großen Teil der Zeit des kolonialen Verwaltungsapparats ein und belastete die Beziehungen zu den Kolonisierten. Der häufig von Gewalt begleitete Prozess drohte, die fragile Ordnung der Kolonialstaaten zu untergraben. Doch Steuern waren nicht nur ein Mittel, um die Kosten der Metropole in den Kolonien zu senken. In Europa waren Steuern nicht nur ein Motor der Zentralisierung des Staates, sondern auch der wirtschaftlichen Entwicklung. In einem sich über Jahrhunderte vollziehenden Prozess führte die ursprünglich vor allem für den Militäraufbau notwendige Erhöhung von Steuern zu einer Abgabenlast, die die Subsistenz- und Eigenproduktion zunehmend erschwerte. Die Steuern trieben dadurch einen Teil der Unter- sowie der unteren Mittelschicht in die abhängige Arbeit im Manufakturwesen. Die Funktion von Steuern als gewaltsames Mittel zur Beschleunigung wirtschaftlicher Transformationsprozesse ließ sich ab dem Ende des 19. Jahrhunderts noch einmal – gleichsam im Zeitraffer – in den Kolonien beobachten. Die dort erhobenen Steuern nötigten Teile der Bevölkerung dazu, die Subsistenzproduktion aufzugeben, weil für deren Zahlung Geld beschafft werden musste. Eine zunehmende Zahl von Menschen sah sich gezwungen, auf den Plantagen oder Minen der Kolonialherren zu arbeiten. Da der Prozess des Aufbrechens selbstversorgender Strukturen in den Kolonien schneller und gewaltsamer vorangetrieben wurde als zuvor in Europa, kam es sehr häufig zu Steuerverweigerung und -aufständen. Die entsprechenden Gefahren waren der deutschen Kolonialverwaltung nur zu bewusst. Deswegen wurden die Steuern keineswegs zentral für alle Kolonien verabschiedet, sondern in einzelnen Regionen getestet und erst bei einer positiven Evaluierung in weiteren Distrikten eingeführt. Zudem wurde häufig versprochen, dass die aus den Steuern bestrittenen Haushaltsausgaben der einheimischen Bevölkerung zugutekommen würden. Ziel der Arbeit ist es diesen Trial & Error-Prozess zu untersuchen, um darüber herauszufinden, an welchen Stellen Widerstand entstand und wie dieser organisiert wurde und wie wiederum die Kolonialverwaltung auf diesen reagierte. So soll ein Beitrag zur Analyse der Durchsetzung moderner europäischer Subjektivierungstechniken in den deutschen Kolonien geleistet und nach der Spezifik kolonialer Gouvernementalität gefragt werden.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen