Mechanismen der Verarbeitung von Zeitinformation: Zur psychophysischen Überprüfung der Distinct Timing- und Common Timing-Hypothese
Final Report Abstract
Neuere Arbeiten, insbesondere aus den Neurowissenschaften, sprechen für die Gültigkeit der so genannten Distinct-Timing-Hypothese (DTH), die davon ausgeht, dass der Verarbeitung von Zeitinformation im Millisekunden- und Sekundenbereich qualitativ unterschiedliche Mechanismen zu Grunde liegen. Für die Verarbeitung von Zeitinformation im Millisekundenbereich wird ein „automatischer“, perzeptiv-sensorischer Mechanismus angenommen, wohingegen längere Zeitdauern kognitiv repräsentiert und verarbeitet werden sollen. Diese Hypothese wurde mit zwei verschiedenen experimentellen Paradigmen untersucht. Mittels eines so genannten Dual-Task-Paradigmas konnte belegt werden, dass die Verarbeitung von Zeitinformation im Sekundenbereich deutlich beeinträchtigt wird, wenn gleichzeitig eine kognitive Nebenaufgabe bearbeitet werden muss, die sekundäres Memorieren (elaborative rehearsal) erfordert. Die Verarbeitung von Zeitinformation im Millisekundenbereich wird durch eine solche Nebenaufgabe dagegen nicht beeinflusst. Ein solches Ergebnis stützt die o.g. Annahme qualitativ unterschiedlicher Zeitmechanismen. Als zweiter experimenteller Zugang zur experimentellen Dissoziation von Mechanismen zur Verarbeitung langer und kurzer Zeitdauern wurde das intraund crossmodale Transferlernen eingesetzt. Mit dieser Vorgehensweise wurde überprüft, inwieweit extensives Training mit leeren akustischen Intervallen die Zeitdauerdiskriminationsleistung in anderen Zeitdauerbereichen und in einer anderen Reizmodalität (visuell anstatt akustisch) positiv beeinflusst. Die Ergebnisse sprechen für einen modalitätsspezifischen Zeitmechanismus für die Verarbeitung von Zeitinformation im Millisekundenbereich und stützen damit indirekt die DTH. Im Rahmen der von uns durchgeführten Untersuchungsserien zeigte sich, dass die beiden am häufigsten zur Quantifizierung der Zeitdauerdiskriminationsleistung eingesetzten psychophysischen Methoden - die 2AFC - und die Reminder-Methode - keineswegs gleichwertig sind, sondern zu systematisch unterschiedlichen Ergebnissen führen. Weiterhin konnten wir belegen, dass diese mangelnde Äquivalenz der beiden Methoden nicht auf die Verarbeitung von Zeitinformation beschränkt ist, sondern auch bei anderen psychophysischen Aufgaben auftritt. Eine umfassende, vergleichende Analyse dieser beiden psychophysischen Methoden ergab, dass die 2AFC-Methode durchgängig höhere Schwellenwerte liefert als die Reminder-Methode. Als Ursache für diese Diskrepanz konnten Positionseffekte bei der Reizdarbietung sowie Einflüsse eines Zeitordnungsfehlers identifiziert werden. Da diese bislang nicht beachteten Unterschiede zwischen den beiden Methoden von genereller Bedeutung für die psycho-physische Forschung insgesamt sind, werden derzeit weitere Analysen durchgeführt, um die grundlegenden Eigenschaften dieser beiden Methoden besser zu verstehen.
Publications
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(2008). On estimating the difference limen in duration discrimination tasks: A comparison of the 2AFC and the reminder task. Perception & Psychophysics, 70, 291-305
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(2009). Comparison of two variants of the method of constant stimuli for estimating difference thresholds. Swiss Journal of Psychology, 68, 189-192
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(2009). Estimating the difference limen in 2AFC tasks: Pitfalls and improved estimators. Attention, Perception & Psychophysics, 71, 1219-1227
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(2009). Perceptual learning in auditory temporal discrimination: No evidence for a cross-modal transfer to the visual modality. Psychonomic Bulletin & Review, 16, 382-389
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