Detailseite
Projekt Druckansicht

Überlebende Orte? Das Grundeigentum jüdischer Gemeinden zwischen Raub und Restitution (1930–1960)

Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung seit 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 513120581
 
Ebenso wie jüdische Privatpersonen und Firmen wurden auch die jüdischen Gemeinden Deutschlands im Nationalsozialismus ihres Eigentums beraubt und mussten nach dem Zweiten Weltkrieg für dessen Rückerstattung kämpfen. Der Großteil dieses Vermögens war Grundeigentum, das für die Gemeinden in mehrfacher Hinsicht existenzielle Bedeutung besaßen: als ökonomische Ressource, als funktionale Stätten der Gemeindearbeit, als symbolische und religiöse Bezugs- und Repräsentationsorte. Die Grundstücke, die die nationalsozialistische Vernichtung jüdischen Lebens überdauerten, boten eine seltene Möglichkeit, um ein Weiterleben über die Zäsur von 1945 hinweg zu konstruieren. Die Fragen, wie sich Enteignung und Rückerstattung dieses Eigentums gestalteten und welche Bedeutung diese überlebenden Orte für den Wiederaufbau jüdischen Lebens in Deutschland besaßen, sollen im Projekt am Beispiel der jüdischen Gemeinde in Hamburg erstmals gezielt in den Blick genommen werden. Einen Schwerpunkt bildet dabei die Frage, inwiefern es der Hamburger Gemeinde nach 1945 im Umgang mit diesen Orten gelang, argumentativ und praktisch an die Tradition der Vorkriegsgemeinden anzuknüpfen und ihre provisorische Existenz zu verstetigen. Das Grundvermögen der Hamburger Gemeinde bestand um 1930 aus annähernd 100 Objekten, von denen 17 untersucht werden sollen. Diese Auswahl umfasst sieben Synagogengrundstücke und wird ergänzt um Liegenschaften, die durch ihre Nutzung vor der Enteignung die Vielfalt der Gemeindetätigkeit abbilden. In der Verschränkung einer eigentumshistorischen Perspektive mit Analysewerkzeugen der Material Studies sowie der Architektur-, Kultur- und Raumgeschichte sollen die ausgewählten Objekte gleichzeitig als Grundstücke, Bauwerke, Stätten und Symbole untersucht werden. Indem die Entwicklung dieser Orte über einen langen Betrachtungszeitraum rekonstruiert wird, ist es möglich, Kontinuitäten und Brüche über die politischen Zäsuren von 1933 und 1945 hinweg anschaulich herauszuarbeiten. Die Quellengrundlage besteht aus objektbezogenem Material wie Grund- und Bauaufsichtsakten, Adressbüchern und Hausmeldekarteien sowie aus akteursbezogenen Beständen, insbesondere der der jüdischen Gemeinden und der städtischen Finanzbehörden im Hamburger Staatsarchiv. Erstmals ausgewertet werden sollen die Unterlagen der Jewish Trust Corporation, der Nachfolgeorganisation in der britischen Besatzungszone, die einem Neubeginn jüdischen Lebens in Deutschland kritisch gegenüberstand und sich zum zentralen Konkurrenten der neuen Gemeinden im Hinblick auf ihr früheres Eigentum entwickelte. Für die Analyse der zeitgenössischen Wahrnehmung der untersuchten Orte werden neben Presseberichterstattung auch die Erinnerungen ehemaliger Hamburger Jüdinnen und Juden im Oral-History-Archiv Werkstatt der Erinnerung der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg untersucht werden.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
Mitverantwortlich(e) Dr. Kim Wünschmann
 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung