Soziobiologie und Diversität von Ameisen des tropischen Regenwaldes: Abnahme der Artendiversität; die Treiberameisengilde; symbiontische Beziehungen mit Pflanzen und Tieren; Ameisen des Epiphytenstratums
Final Report Abstract
Die Kronenräume tropischer Feuchtwälder stellen ein distinktes Stratum dar, das einen wesentlichen Teil der Gefäßpflanzenarten dieses Lebensraums beherbergt, die Epiphyten. Diese bodenunabhängigen Pflanzen, die in gemäßigten Breiten völlig fehlen, haben erfolgreich eine Reihe ökologischer Probleme gelöst. Sie verbreiten sich mit ihren Verbreitungskörpern von Baum zu Baum und finden hier das nötige Wurzelsubstrat. Ebenso gelingt es ihnen, die nötigen Nährstoffe zu erhalten und ihren Wasserhaushalt zu regulieren. Von zwei Gruppen von Gefäßpflanzen, den Farnen und den Orchideen ist wohlbekannt, mit welchen Strategien die genannten ökologischen Probleme gelöst werden, insbesondere mit Massen-Staubverbreitung mittels mikroskopisch kleiner Verbreitungskörper, mit langsamen Entwicklungsprozessen und mit der Entwicklung von Wasserspeicherorganen. Aus der Neotropis war seit langem ein weitere, andersartige Form der „Problemlösung" bekannt, das Ameisengartensyndrom, bei dem symbiotische Kronenraumameisen für Verbreitung der Pflanzenpartner, für ihr Wurzelsubstrat und ihre Nährstoffe sorgen und ihren Wasserhaushalt verbessem. Erstaunlicherweise war ähnliches aus dem riesigen palaeo-feuchttropischen Bereich fast nicht bekannt. Hier kannte man aber für die asiatisch-australische Region seit langem die so genannten Ameisenepiphyten, die einigen arboricolen Formiciden für Gegenleistungen Nistraum anbieten. Unsere Forschungen an der den Regenwald dominierenden Tiergruppe, den Ameisen und ihren vielfältigen symbiotischen Beziehungen zu der Regenwaldflora, brachten nun in den letzten Jahren für den südostasiatischen Raum in Bezug auf das Epiphytenstratum sehr erstaunliche Ergebnisse: Es zeigte sich, dass auch hier zahlreiche bislang unbekannte Ameisengartensymbiosen existieren, hoch komplexe Vielartensysteme, die bis zu fünf oder sogar sechs verschiedene Typen von Partnern umfassen! Und: Die Ameisenepiphyten mit ihren vielgestaltigen Domatienstrukturen basieren auf Ameisengarten-Systemen. Sie sind, wie sich herausstellte, keine einzigartige australasiatische evolutionäre „Sonderbildung" sondern „nur" ein Spezialfall dieses Symbiosetyps! Symbiosepartner 1, die Epipyten. Sämtliche bekannten epiphytischen Gefäßpflanzen, die sich nicht durch Mikroverbreitungskörper vermehren, sind gesichert oder sehr wahrscheinlich Ameisengartensymbionten. Sie stammen aus 8 Pflanzenfamilien und umfassen mehr als 110 Arten. Sie wachsen in Kartonnestern, die von den Ameisenpartnern, den Symbiosepartnern 2, aus Pflanzenfasern u.a. auf Baumästen oder Stämmen erbaut werden. Da die symbiotischen Ameisen nicht in der Lage sind, die Kartonwände mit körpereigenen Klebsekreten zu stabilisieren, bewerkstelligen dies die Epiphyten mit ihrem Wurzelgeflecht. Dies ist die wesentliche Funktion der Pflanzenpartner. Die Ameisen halten ein System an Kammern als Nesträume frei. Bisher haben wir 18 Ameisenarten aus 5 Gattungen und 4 Unterfamilien als Symbiosepartner ermittelt, eine Zahl, die sich zukünftig beträchtlich erhöhen wird. Ihre Funktion in der Symbiosegemeinschaft ist vielfältig. Sie erschaffen nicht nur das Wurzelsubstrat für die Epiphyten. Ebenso sammeln sie gezielt Samen ihrer Epipyten-Partnerpflanzen ein, die durch spezifische Düfte erkannt werden. Die Samenverbreitung erfolgt häufig durch eine Doppelstrategie. Die Erstverbreitung besorgen Wind oder fruchtfressende Vögel. Die Ameisen tragen so „vorverbreitete" Samen gezielt in die Kartonnester und bauen sie dort in das Substrat ein. Auch düngen sie ihre Epiphyenparmer mit Nestabfällen, Nahrungsresten und toten Insekten. Eine weitere Funktion ist die hohe Wasserspeicherkapazität des Nestsubsubstrats. Wir haben sogar beobachten können, dass eine Ameisenart trockene Nester mit gesammelter Flüssigkeit regulär „wässert". Zum Zentrum der bis kopfgroßen Nestkugeln durchziehen Hyphen von Pilzen als reguläre dritte Symbiosepartner die Nestwände. Außer ihrer Wirksamkeit als Nestwandverfestiger ist ihre Funktion bislang unklar. Die vierten Symbiosepartner sind Schildläuse, die im Nestinneren regelhaft gefunden werden, wo sie an den Phorophyten, den fünften Symbiosepartnern, den Trägerpflanzen, saugen. Während die Funktion der Schildläuse eindeutig mutualistisch ist - sie tragen mit ihrem Honigtau essentiell zur Ernährung des Symbiosesystems und auch zu seiner Wasserversorgung bei - konnte noch nicht nachgewiesen werden, ob die Phorophyten Schutz vor Fraßfeinden durch die Ameisenpartner erhalten, was allerdings zu vermuten ist. Die eingangs erwähnten Domatien erzeugenden Ameisenepiphyten wachsen als Jungpflanzen nicht als unabhängige Aufsitzerpflanzen heran, die dann bei genügender Größe Domatien erzeugen, in denen sie sozusagen Nährsalze liefernde „Ameisengehilfen" ansiedeln. Vielmehr sind alle diese Pflanzen zunächst von Ameisen in Gartennestern herangezogene Jungpflanzen, die später mit ihren Domatienstrukturen zum Nestraum der Ameisengartenkolonie beitragen, dies „nur"ein Epiphänomen der Ameisengartensymbiose also! Ameisen erweisen sich damit einmal mehr als Schlüsselorganismen tropischer Feuchtwälder, die diese Lebensräume entscheidend mitgestalten.
Publications
- 2001. Ant-gardens on the giant bamboo Gigantochloa scortechimi in West Malaysia. Insectes sociaux 48:125-133
Kaufmann, E., A. Weissflog, R. Hashim and U. Maschwitz
- 2006. Ant gardens of tropical Asian rain forests. Naturwissenschaften_93: 216 -227
Kaufmann, E. and U. Maschwitz