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Stimmen aus der Peripherie: Eine (De-)Konstruktion öffentlicher Narrative postindustrieller Marginalisierung
Antragstellerin
Dr. Anke Fiedler
Fachliche Zuordnung
Theater- und Medienwissenschaften
Förderung
Förderung seit 2023
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 528023607
"Postindustrialismus´" wird im öffentlichen und akademischen Diskurs häufig als Chiffre für Verfall, Entwertung, Armut, Arbeitslosigkeit, Extremismus und Rassismus verwendet. Diese stereotypen und stigmatisierenden Bilder postindustrieller Communities finden meist über die Medien den Weg in das gesellschaftliche Bewusstsein. Ob sich aber die Bewohner postindustrieller Gemeinschaften mit diesen öffentlichen Narrativen identifizieren, ob sie sich selbst als Außenseiter, Entrechtete und Deprivierte - kurzum als "Marginalisierte" - wahrnehmen, ist eine der Forschungslücken, in die das VOICES-Projekt stoßen möchte. Auf Basis eines systematischen Forschungsdesigns, das sich auf kritische Diskurstheorie und Ungleichheitsforschung stützt, zielt das Projekt darauf ab, eine elitenzentrierte Perspektive auf Marginalisierung mit der alltäglichen Perspektive marginalisierter Milieus zu kontrastieren: erstens durch die Erforschung der Rolle der Medien als Schlüsselakteure in der öffentlichen Konstruktion postindustrieller Marginalisierung und Identität; und zweitens durch die Untersuchung der Subjektivierungsweisen der Bewohner postindustrieller Zentren im Lichte dominanter massenmedialer Narrative. In zwei thematischen Arbeitspaketen werden fünf miteinander verknüpfte Bereiche untersucht, um kulturelle Manifestationen, wie die der Marginalisierung, zu analysieren: Medienregulierung, -produktion und -repräsentation (die "Top-down"-Perspektive), Medienkonsum und Identitäten postindustrieller Milieus (die "Bottom-up"-Perspektive). Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen drei postindustrielle Communities in Nordengland (Middlesbrough, Rotherham und Redcar) und Ostdeutschland (Eisenhüttenstadt, Weißwasser und Lauchhammer), die alle den Niedergang der historisch identitätsstiftenden Industriearbeit erlebt haben. Die gelebte Realität dieser postindustriellen Gemeinschaften wird durch einen Citizen-Science-Ansatz greifbar, der qualitative Erzählsalons, Interviews, Fokusgruppen und Tagebücher einschließt. Ziel ist es, einen differenzierteren Blick auf postindustrielle Milieus, ihre Selbstwahrnehmung, ihre Erfahrungen, Gefühle und Ansichten zu ermöglichen - eingedenk der Einstellungen, die sich negativ auf die demokratische Kultur auswirken können. Auf Medienseite sind Diskuranalysen einschlägiger Nachrichtenmedien und sozialer Medien sowie Interviews mit Journalisten und Fokusgruppen geplant, um marginalisierungsbefördernde Tendenzen in den Mediensystemen beider Länder zu identifizieren. Am Ende des Projektes steht die theoretische und empirische Durchdringung des Konzeptes der Medienmarginalisierung, um dieses für Wissenschaft und Forschung an der Schnittstelle von Sozialstrukturanalyse/sozialer Ungleichheit, Medien und Kommunikation fruchtbar zu machen. Das Projekt möchte nicht nur einen Beitrag zu der Frage leisten, wie Medienmarginalisierung bewältigt werden kann, sondern auch Menschen aus öffentlich marginalisierten Gemeinschaften eine Stimme geben.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Internationaler Bezug
Großbritannien
Partnerorganisation
Arts and Humanities Research Council
Kooperationspartnerin
Dr. Antje Glück