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Recht und Gerechtigkeit in den jugo-slavischen Literaturen

Fachliche Zuordnung Europäische und Amerikanische Literatur- und Kulturwissenschaften
Förderung Förderung seit 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 530618096
 
Das Projekt untersucht Texte der Literaturen des ehemaligen bzw. späteren Jugoslawien, in denen kritisch dargestellte Rechtsfälle oder -praktiken im Mittelpunkt stehen, auf das in ihnen jeweils transportierte Rechtsverständnis. Es positioniert sich damit im Forschungsparadigma von Recht und Literatur, das bislang auf die südslavischen Literaturen kaum Anwendung gefunden hat. Fokussiert werden drei historische Phasen der ersten beiden Drittel des 20. Jahrhunderts: im während des sog. Interregnums vor dem Ersten Weltkrieg nicht mehr zum Osmanischen Reich, sondern zu Österreich-Ungarn gehörenden Bosnien erscheint aus Perspektive der serbischen Nationalbewegung das nun implementierte Recht des Habsburger Reiches weiterhin als ,fremd‘; als paradigmatischer Autor wird hier Petar Kočić untersucht, der in seinen Texten auf ein autochthones, auf oralen Traditionen basierendes Recht anspielt. Im Königreich Jugoslawien der Zwischenkriegszeit ist zwar die Unabhängigkeit gewonnen, in den sozialkritischen Werken des marxistisch eingestellten Miroslav Krleža aber werden die Defizite des Rechtssystems deutlich ausgestellt und dem ,falschen‘ herrschenden ein zu erstrebendes gerechtes entgegengestellt. In der Volksrepublik Jugoslawien dann siedeln die beiden Autoren Meša Selimović und Ivo Andrić Romane, die um juristische Fragen kreisen, zwar im historisch fernen Bosnien zur Zeit der Besetzung durch das Osmanische Reich an, kritisieren damit aber nicht zuletzt Aberrationen des ihnen zeitgenössischen Rechtssystems. Insofern zeigt sich, so die These des Projekts, ein wiederkehrendes Muster, das sich über die historischen Umbrüche innerhalb des Untersuchungszeitraums hinweg verfolgen lässt: Herrschendes (Un-)Recht bzw. herrschende Ungerechtigkeit wird als ,fremd‘ markiert, dem wird ein ,eigenes‘, mit Gerechtigkeit assoziiertes Rechtsverständnis entgegengesetzt. Verbunden wird dies mit der Entgegensetzung von positivem Recht als dem jeweils geltenden Recht einerseits und Naturrecht als einem am Ideal eines der Natur des Menschen gemäßen, gerechten Systems andererseits. Methodisch schließt das Projekt erstens an die in der amerikanischen Law and Literature-Forschung praktizierte Kombination rechtshistorischer und narratologischer Analyse der ausgewählten literarischen Texte an. Einen zweiten für das Vorhaben relevanten Forschungsstrang bilden Überlegungen zum Konzept des Ausnahmezustands als Kippmoment in einer Situation, in der das bisher herrschende Recht außer Kraft gesetzt ist – Diskussionen, wie sie im Anschluss an Jacques Derridas Deutung von Walter Benjamins Schrift „Kritik der Gewalt“ geführt wurden. Drittens spielen Reflexionen aus den Bereichen Recht, Philosophie, Literatur und Kunst zum Verhältnis von Naturrecht und positivem Recht eine Rolle, wie sie in jüngeren deutschen interdisziplinären Studien zu finden sind.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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