Bearbeitung der Olifante im Rahmen des Corpus der früh- und hochmittelalterlichen Elfenbeinarbeiten
Final Report Abstract
Das „Corpus der mittelalterlichen Olifante“ beinhaltet im wesentlichen zwei innovative Aspekte: Zum einen wird die Objektgruppe ohne Rücksicht auf die Grenzen zwischen den einzelnen kunsthistorischen Disziplinen betrachtet und zum anderen galt es, den Horizont über die Grenzen des Faches hinaus zu erweitern. Die Bearbeitung der Olifante im Rahmen des „Corpus der mittelalterlichen Elfenbeinskulpturen“ kam wohl nicht zuletzt deshalb so lange nicht zustande, weil die Kunst des lateinischen Mittelalters, der byzantinischen Kunst und der islamischen Kunst als abgeschlossene Bereiche jeweils für sich betrachtet wurden. Doch liegt mit dem Corpus nun eine umfassende Dokumentation der früh- und hochmittelalterlichen Olifante verschiedener Regionen und Kulturkreise vor. Eine große Gruppe bilden die sogenannten sarazenischen Olifante, deren Entstehung seit den Forschungen von Ernst Kühnel in den Regionen unter islamischem Einfluss in Süditalien und Sizilien angenommen wird. Für eine bestimmte Gruppe dieser Olifante kommt jedoch auch eine Herstellung im fatimidischen Ägypten in Frage. Dazu kommt eine Reihe vermutlich in Süditalien entstandener Olifante. Eine differenzierte Betrachtung erfahren auch die bisher meist als byzantinisch bezeichneten Olifante, die jedoch nicht unbedingt in den Grenzen des byzantinischen Reiches zu lokaliseren sind. Ebenso werden jene Olifante diskutiert, die vielleicht in Mittel- oder Norditalien oder aber auch nördlich der Alpen entstanden. Einzelne gotische Olifante wurden ebenfalls in den Katalog aufgenommen. Doch rückt vor allem das Mittelmeerbecken als ein Raum intensiven kulturellen und künstlerischen Austauschs und Kontakts zur Zeit des hohen Mittelalters in das Zentrum der Aufmerksamkeit. Das Hauptziel war jedoch nicht die Lokalisierung einzelner Stücke oder Gruppen an einem bestimmten Ort oder gar die Zuweisung an einzelne Werkstätten. Die Olifante sollten nicht nur aus einem kunsthistorischen Blickwinkel als visuelle Quelle für die Geschichte der Elfenbeinschnitzerei betrachtet werden, es erschien vielmehr genauso wichtig, sie in ihrem ursprünglichen Gebrauchs- und Funktionszusammenhang, d. h. vorwiegend als tragbare Musikinstrumente zu sehen. Doch ergab insbesondere die Auseinandersetzung mit dem ornamentalen und figürlichen Dekor der einzelnen Gruppen ein interessantes Ergebnis. Neben der im 11. und 12. Jahrhundert allgemein vorhandenen Tendenz zur Darstellung der Natur (vor allem Tiere) und des täglichen Lebens (vor allem Jagd) sowie dem schon von M. Schapiro konstatiertem zunehmenden Interesse an orientalischen Motiven erweisen sich die Olifante als eine Objektgruppe, die mit ihrer besonderen Form (eines Stoßzahns), ihrem eindrucksvollen Klang und ihren teils archaisierenden und antikisierenden Motiven ein neues gleichsam historisches Bewusstsein zum Ausdruck bringen. Es gab offensichtlich den Wunsch „authentische“ Objekte zu schaffen, die von heroischen, vergangenen Zeiten künden. So reflektieren die Olifante nicht nur die Ästhetik der romanischen Kunst, sondern werfen auch ein Licht auf das Verhältnis der Menschen romanischer Zeit zur Vergangenheit.
Publications
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Des objets en migration: Les itinéraires des objets islamiques vers l’Occident Latin au Moyen Âge. In: Les Cahiers de Saint-Michel de Cuxa 35 (2004), S. 81-93
Avinoam Shalem
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Objects as carriers of real or contrived memories in a cross-cultural context: The case of medieval diplomatic presents. In: Migrating Images. Producing, reading, transporting, translating, hg. von Petra Stegmann und Peter C. Seel. Berlin 2004, S. 36-52
Avinoam Shalem
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The Oliphant. Islamic Objects in Historical Context (Islamic history and civilization. Studies and texts, Bd. 54). Leiden 2004
Avinoam Shalem
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Exportkunst im Zeitalter der Massenproduktion: Überlegungen zur Ästhetik islamischer Luxusobjekte zur Zeit der Kreuzzüge,. In: Konfrontation der Kulturen? Saladin und die Kreuzfahrer, hg. von H. Gaube, B. Schneidmüller und S. Weinfurter. Mainz 2005, S. 90-106
Avinoam Shalem
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Introduction. In: The Ivories of Muslim Spain. Papers from a symposium held in Copenhagen from the 18th to the 20th of November 2003, hg. von Kjeld von Folsach und Joachim Meyer, (Journal of the David Collection 2,1-2). Kopenhagen 2005
Avinoam Shalem
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La voix du héros. Notes sur la fabrication et l’utilisation des cors médiévaux comme instruments de musique. In: Les Cahiers de Saint-Michel de Cuxa 36 (2005), S. 117-126
Avinoam Shalem
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Trade and the Availability of Ivory: The Picture Given by the Medieval Sources. In: The Ivories of Muslim Spain. Papers from a symposium held in Copenhagen from the 18th to the 20th of November 2003, hg. von Kjeld von Folsach und Joachim Meyer (Journal of the David Collection 2,1-2). Kopenhagen 2005, S. 25-35
Avinoam Shalem
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Der Klang des Olifants. In: Wissen über Grenzen. Arabisches Wissen und lateinisches Mittelalter, hg. von Andreas Speer and Lydia Wegener (Miscellanea Mediaevalia, Bd. 33). Berlin 2006, S. 775-790
Avinoam Shalem
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The Sound of Ivory. In: Musicologica Austriaca 25 (2006), S. 9-31
Avinoam Shalem
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From Individual Manufacturing to Mass-Production: Notes on the Aesthetic of the Islamic Traded Ivories of the Crusade Era. In: Facts and Artefacts. Art in the Islamic World, Festschrift for Jens Kröger on his 65th Birthday, hg. von Annette Hagedorn und Avinoam Shalem (Islamic history and civilisation. Studies and texts, Bd. 68). Leiden 2007, S. 231-249
Avinoam Shalem
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Islamische Objekte in Kirchenschätzen der lateinischen Christenheit. Ästhetische Stufen des Umgangs mit dem Anderen und dem Hybriden. In: Das Bistum Bamberg in der Welt des Mittelalters, hg. von Christine und Klaus van Eickels (Bamberger interdisziplinäre Mittelalterstudien. Vorträge und Vorlesungen, Bd. 1). Bamberg 2007, S. 163-175
Avinoam Shalem
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The Second Life of Objects: Ivory Horns in Medieval Church Treasuries. In: Spätantike und byzantinische Elfenbeinbildwerke im Diskurs, hg. von Gudrun Bühl, Anthony Cutler und Arne Effenberger (Spätantike – Frühes Christentum – Byzanz. Reihe B: Studien und Perspektiven, Bd. 24). Wiesbaden 2008, S. 225-236
Avinoam Shalem
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Hybride und Assemblagen in mittelalterlichen Schatzkammern: Neue ästhetische Paradigmata im Hinblick auf die ‘Andersheit’. In: Le trésor au Moyen Âge. Discours, pratiques et objets, hg. von Lucas Burkart, Philippe Cordez, Pierre Alain Mariaux und Yann Potin (Micrologusʼ Library, Bd. 32). Florenz 2010, S. 297-313
Avinoam Shalem
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Olifant (Kat.-Nr. III.C.12); Elfenbeintafel (Kat.-Nr. III.C.10) und Elfenbeinkamm (Kat.-Nr. III.C.11). In: Die Staufer und Italien, hg. von Alfred Wieczorek, Bernd Schneidmüller und Stefan Weinfurter. Drei Innovationsregionen im mittelalterlichen Europa. Mannheim 2010
Maria Glaser/Avinoam Shalem
