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Hierarchie und Verhandlung. Die Verschiebung deutscher Konfliktlösungsmuster 1871 – 1971 am Beispiel des Religionsrechts

Antragsteller Dr. Dominik Rennert
Fachliche Zuordnung Öffentliches Recht
Förderung Förderung von 2023 bis 2024
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 531232268
 
Die Arbeit beschreibt, wie sich im Zuge der deutschen Demokratisierung vom Kaiserreich bis in die frühe Bundesrepublik die deutschen politischen Konfliktlösungsmuster grundlegend verschoben haben: von hierarchisch-autoritären Mustern preußisch- absolutistischer Provenienz hin zu demokratisch-korporativen Verhandlungsstrategien.Zugleich untersucht die Arbeit, wie die deutsche Staatsrechtslehre diesen Übergang beschrieben und verarbeitet hat. Sie konzentriert sie sich dafür unter den drei großen Konflikten dieser Zeit – der Verfassungs-, der Religions- und der sozialen Frage – auf die Religionsfrage, flicht aber gleichzeitig Seitenblicke in die anderen beiden, parallel laufenden Bereiche ein und kontrastiert diese deutsche Demokratisierung zudem mit der amerikanischen, die sich in anderen, nämlich pluralistischen Wettbewerbsmustern vollzogen hat. So untersucht die Arbeit grundlegend, in welcher Gestalt sich die deutsche Demokratie etabliert hat: Wo das hierarchische Muster auf die Entscheidung eines von den gesellschaftlichen Gruppen isolierten autoritären Machtzentrums setzte und sich das pluralistische Wettbewerbsmuster gemeinwohlverträgliche Entscheidungen von der Konkurrenz gesellschaftlicher Gruppen erhofft, zielt das korporative Verhandlungsmuster auf kontinuierlichen Ausgleich durch Kooperation zwischen den gesellschaftlichen Gruppen und dem Staat und bezieht sie dafür als Verhandlungsakteure eng in den staatlichen Bereich mit ein. Was diesen Übergang lange blockiert hat, war der Umstand, dass die Muster zugleich unterschiedlichen politischen Lagern zugeordnet waren. Die nationalprotestantische, liberal-konservative Koalition des Kaiserreichs hing hartnäckig autoritär-hierarchischen Vorstellungen nach. In Weimar scheiterten Sozialdemokratie und politischer Katholizismus am Widerstand dieser alten Eliten damit, eine Demokratie um die von ihnen präferierten Verhandlungsmuster zu errichten. In der Staatsrechtslehre hat dieses Scheitern Carl Schmitt analysiert, der die neuen Verhandlungsbereiche – die Koalitionsregierungen, die Sozialpartnerschaft und das kooperative deutsche Religionsrecht mit seiner Vertragspraxis – negativ als „Auflösung“ des hierarchischen „Staats“ diagnostizierte. Erst in der frühen Bundesrepublik konnten Sozial- und Christdemokratie ihre Vorstellungen in allen drei Bereichen – Religionsverfassung, föderaler Verhandlungsdemokratie und Sozialpartnerschaft – umsetzen. Um dieselbe Zeit gelang es der Staatsrechtslehre um Konrad Hesse erstmals, diese Muster zu erfassen, zu beschreiben und zu legitimieren. Um 1970 kam dieses „Modell Deutschland“ endlich zu einem relativen Abschluss. Es ist ein bemerkenswerter historischer Umstand, dass sich dieses mühevoll stabilisierte Modell in der weiteren Entwicklung als erstaunlich leistungsfähig erwiesen hat, neue Konflikte zu verarbeiten. Zum Abschluss verfolgt die Arbeit diese Leistungsfähigkeit vor der Folie des entgleisenden amerikanischen Entwicklung in die Gegenwart hinein.
DFG-Verfahren Publikationsbeihilfen
 
 

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