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Sound System Epistemologies: Wissen & Gender durch Praxis

Antragstellerin Dr. Stefanie Alisch
Fachliche Zuordnung Musikwissenschaften
Förderung Förderung seit 2024
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 532753481
 
Soundsysteme sind eine internationale Form der Musik-Performance, bei der die verstärkte Wiedergabe von zuvor aufgenommenen Klängen mit interaktiven Darbietungen und der visuellen Hervorhebung von Lautsprecherboxen kombiniert wird, um Menschen zum Tanzen zu bringen. Jamaikanische Soundsysteme sind hoch entwickelte und langlebige kulturelle Institutionen, die Genres wie Reggae, Dub und Dancehall geprägt haben und sogar als Nationalinstrument gelten. Aus den Soundsystemen im jamaikanischen Stil entstanden Musikgenres wie Jungle, Dubstep, UK Garage und Grime in Großbritannien sowie Hip-Hop in den USA. Das Konzept der "Soundsystem-Kulturen des Black Atlantic" geht über die oben genannten Stile hinaus und umfasst auch House, Kuduro, Picó, Broken Beat, Coupé Decale oder Reggaetón und ist auf Szenen wie Freetekno und Breakcore übertragbar. Trotz ihrer wachsenden internationalen Bedeutung werden Soundsysteme in der Musikwissenschaft oft unterbewertet und untertheoretisiert, was zu Fehlinterpretationen kultureller Dynamiken und klanglicher Materialitäten führen kann. Geschlechterdynamiken spielen in Soundsystem-Kulturen eine wichtige Rolle. Zwar sind Frauen seit den Anfängen aktiv, doch ihre Beiträge sind nicht ausreichend dokumentiert oder unterbewertet worden. Soundsystem-Praktiken beinhalten die Weitergabe von Wissen, einschließlich technischen, räumlichen, klanglichen und kinetischen Repertoires. Wissensproduktion privilegiert hier jedoch cis-Männer und schließt andere Geschlechter weitgehend aus. So gehen die Produktion von Wissen und (oft marginalisierten) Männlichkeiten in Soundsystem-Praxis Hand in Hand. Das Projekt Sound System Epistemologies (SSE) untersucht, wie Männlichkeit und Wissen sich gegenseitig konstituieren, und fragt, welche Kräfte am Werke sind, um dieses System aufrechtzuerhalten, und wie die Menschen diese Zwänge unterlaufen. SSE untersucht verkörpertes Wissens, indem es auf Konzepte wie "tacit knowing" oder "reflection-in-action" und Methoden wie "thick participation", "photo & video elicitation" oder "learning to perform" zurückgreift, um implizites Wissen zu externalisieren und die Männlichkeitsrituale durch Soundsystempraktiken freizulegen. Anhand kontrastierender Fallstudien beleuchtet SEE, wie Geschlecht und Wissen in spezifischen Musikszenen wie Lissabonner Batida, Freetekno, Acid House, Female & Queer London Sound Systems und weiblichen Rapperinnen im Deutschrap zusammenwirken. Das Projekt leistet damit einen Beitrag zum jungen Feld der Männlichkeitsforschung in der populären Musik. SSE theoretisiert das Soundsystem als sozio-räumliche techno-sonische Performance-Konfiguration und entwickelt ein neues Paradigma der Musikperformance, das die Dichotomie von Live-Musik und aufgenommener Musik überwindet.
DFG-Verfahren Emmy Noether-Nachwuchsgruppen
 
 

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