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Gerichte als ebenenübergreifende Hüter von Werten – Zum Einfluss judikativer Kontrolle auf das kompetenzielle Gleichgewicht in der EU

Fachliche Zuordnung Öffentliches Recht
Förderung Förderung seit 2024
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 532657320
 
Das Projekt untersucht die Rolle von Gerichten in der EU. Im Fokus steht der in der Forschung oft vernachlässigte Einfluss ebenenübergreifender gerichtlicher Kontrolle auf die horizontale Gewaltenteilung, d.h. das kompetenzielle Gleichgewicht zwischen Legislative, Exekutive und Judikative. In zahlreichen Leitentscheidungen hatten sich europäische und nationale Gerichte mit den rechtlichen Folgen der Krisen zu befassen, die Europa immer wieder erschütterten. Auf Basis elementarer Werte, wie der Rechtsstaatlichkeit und des Demokratieprinzips, haben sowohl der Europäische Gerichtshof (EuGH) als auch nationale Verfassungs- und Höchstgerichte in zunehmendem Maße eine gerichtliche Kontrolle über die Kompetenzausübung durch Organe der jeweils anderen Ebene eingefordert. Während es zur Kernaufgabe der Judikative gehört, das Machtgefüge innerhalb eines Verfassungssystems im Gleichgewicht zu halten, liegt die Besonderheit der zu erforschenden Entwicklung im ebenenübergreifenden Wechselspiel zwischen Kompetenz und Kontrolle: Nationale Gerichte beanspruchen eine stärkere Kontrolle der Kompetenzausübung auf europäischer Ebene, um einen befürchteten Kompetenzverlust der nationalen Ebene einzuhegen, aber auch um die horizontale Machtverteilung auf EU-Ebene neu auszutarieren. Beansprucht ein nationales Gericht, wie das deutsche Bundesverfassungsgericht, die Kontrolle darüber, ob eine EU-Institution ihre Kompetenzen überschritten hat, fordert es u.U. zugleich eine kompetenzielle Neuausrichtung zwischen den EU-Institutionen, konkret etwa die Reduzierung der Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank. Umgekehrt kontrolliert der EuGH verstärkt die Kompetenzausübung auf der nationalen Ebene und greift dabei zuweilen direkt auf das innerstaatliche Gewaltengefüge zu. Setzt der EuGH als Antwort auf nationale Rechtsstaatskrisen die richterliche Unabhängigkeit nationaler Gerichte durch, fordert er im Kern zugleich eine kompetenzielle Neuausrichtung auf nationaler Ebene. Das Projekt befasst sich somit multiperspektivisch mit der Kontrolle von EU-Politik durch nationale Gerichte (bottom-up) sowie der Kontrolle nationaler Politik durch die europäische Gerichtsbarkeit (top-down). Das Projekt verfolgt drei Stoßrichtungen. Erstens soll es die erste umfassende verfassungsrechtsvergleichende Studie hervorbringen, wie nationale Verfassungs- und Höchstgerichte kontrollierend auf das kompetenzielle Gleichgewicht der EU-Ebene einwirken. Zweitens soll in seinem Rahmen die erste grundlegende rechtswissenschaftliche Studie darüber entstehen, ob und inwieweit der EuGH judikativ auf das innerstaatliche Gewaltengefüge einschließlich der Legislative und Exekutive zugreifen darf. Drittens untersucht das Projekt gesamtperspektivisch, ob es regulative Prinzipien gibt, die für ebenenübergreifende und wertebasierte gerichtliche Kontrollen gelten, wobei erstmals der Grundsatz der Gleichheit der Mitgliedstaaten im Mittelpunkt einer vertieften Betrachtung stehen wird.
DFG-Verfahren Forschungsgruppen
 
 

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