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Arglistige Täuschungen in unternehmerischen Vertragsverhandlungen
Antragstellerin
Professorin Dr. Stefanie Jung
Fachliche Zuordnung
Privatrecht
Förderung
Förderung seit 2023
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 534291726
Auf den ersten Blick scheint der Wortlaut des § 123 Abs. 1, 1. Alt. BGB zu belegen, dass vorsätzliche, kausal gewordene Täuschungen in Vertragsverhandlungen ausnahmslos als unrechtmäßig zu bewerten sind. Die Verhandlungsliteratur sieht hingegen bestimmte Täuschungshandlungen außerhalb des Leistungsgegenstands und des Preises i.e.S. als üblich und auch nicht moralisch verwerflich an. Das gilt z.B. für Bluffs über Deadlines oder den reservation price. Zu solchen, in der Verhandlungsliteratur „akzeptierten“ Lügen findet sich jedoch weder Rechtsprechung, noch werden diese Täuschungen in der juristischen Literatur kritisch reflektiert. Die Habilitation nimmt dies zum Anlass, eine kontroverse und zugleich wichtige Diskussion über die ausnahmslose Rechtswidrigkeit von Täuschungen im unternehmerischen Rechtsverkehr zu eröffnen. In einer umfassenden rechtshistorischen, rechtsdogmatischen, rechtsvergleichenden, rechtsökonomischen und empirischen Argumentation belegt das Werk insofern die fehlende Selbstverständlichkeit des aktuellen, umfassenden Verständnisses des § 123 Abs. 1, 1. Alt. BGB. Die zentrale neue Idee der Arbeit besteht darin, anders als die historischen und rechtsvergleichenden Vorbilder, mit Blick auf § 123 Abs. 1, 1. Alt. BGB eine Differenzierung nach dem Gegenstand der Täuschung vorzuschlagen. Denn die Erforderlichkeit einer Rechtsfolge für eine Täuschung lässt sich insbesondere für Lügen über den Leistungsgegenstand, den Preis i.e.S. und die Rechtslage belegen. Für Irreführungen z.B. über Deadlines, Alternativangebote oder den reservation price gilt dies hingegen nicht. Mit Blick auf die wertungsmäßige Rechtfertigung dieser Differenzierung nach dem Täuschungsgegenstand nimmt eine eigene, weltweite empirische Studie mit mehr als 3.000 Teilnehmern (Richter, Anwälte, professionelle Verhandler) eine wichtige Rolle ein. Die Ergebnisse zeigen, dass alle Gruppen sowohl bei der moralischen Bewertung als auch beim Rechtsgefühl (Gefühl dafür, wie das Recht sein sollte) nach dem Täuschungsgegenstand unterscheiden. Besondere Überzeugungskraft entfalten zudem die Ergebnisse der deutschen Richter, die verdeutlichen, dass selbst diese rechtliche Konsequenzen bezüglich vieler Täuschungsgegenstände ablehnen. Über die Lösung der konkreten Rechtsfrage hinaus wird zudem die Bedeutung der Differenzierung zwischen Moral und Rechtsgefühl nachgewiesen. Die Arbeit plädiert insofern für eine mögliche rechtliche Bedeutung des Rechtsgefühls anstelle der gesetzlich zwar verankerten, aber derzeit meist ignorierten „Verkehrssitte“.
DFG-Verfahren
Publikationsbeihilfen