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Bestimmung des Wirkungsgrades von Nachbauten historischer Bögen mit niedrigen Zuggewichten und Überprüfung der Wirkung der mit solchen Bögen verschossenen Pfeile auf Schutzwaffen (Schilde und Rüstungen) mit dem Ziel, Informationen zur Rekonstruktion entsprechender Bögen zu erhalten

Subject Area Mechanics
Term from 2002 to 2014
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 5350374
 
Final Report Year 2013

Final Report Abstract

In der Literatur wird immer wieder erwähnt, dass die im Altertum und Mittelalter auf Feldzügen benutzten Bogen sehr hohe Zuggewichte haben mussten. Dabei orientiert man sich typischerweise an den bekannten englischen Langbogen, die Zuggewichte von schätzungsweise 90 bis 150 lbs (englischen Pfund) bei etwa 30 Zoll Auszuglänge erforderten, und an einigen künstlerischen Darstellungen des Altertums, wo zwei Schützen benötigt werden, um einen Bogen zu spannen. Während Funde englischer Langbogen des Spätmittelalters vorliegen, aus denen man mittels Nachbauten das Zuggewicht extrapolieren kann, ist dies bei Bogen der Antike nur im Falle ägyptischer Bogen aus der Zeit des Neuen Reichs möglich (Funde aus dem Grab Tut-anch-Amuns), nicht jedoch für skythische, assyrische oder griechische Bogen. Gerade die skythischen und griechischen, stark reflex und mit zurückgebogenen Enden gebauten Bogen waren aber, was den Wirkungsgrad betrifft, wesentlich effizienter als Langbogen. Man geht davon aus, dass ein aus Holz mit Sehnenverstärkung hergestellter Recurve-Bogen mit etwa 48 lbs Zuggewicht dieselbe Pfeilgeschwindigkeit erzeugt wie ein englischer Langbogen mit 60 lbs Zuggewicht bei gleichem Auszug. Mit zusätzlicher Hornverstärkung an der Innenseite (typisch für mediterrane und asiatische Reflex-Bogen) sind sie noch wirkungsvoller. Bogen mit für den Schützen zu hohen Zuggewichten führen schon nach wenigen Schüssen zum Zittern beim Zielen und zum „Verreißen“ beim Lösen des Pfeils. Außerdem genügen bei modernen Recurve-Bogen 42-45 lbs Zuggewicht, um eine Antilope oder ähnliches Großwild zu erlegen. Deshalb wurde in diesem Projekt überprüft, ob mit verschiedenen Bronze- und Eisenspitzen versehene Pfeile, die von Nachbauten historischer Bogen (unter Verwendung moderner Materialien hergestellt, also Holz mit Glasfiber belegt, oder originalgetreu gearbeitet) mit Zuggewichten bei etwa 45 lbs abgeschossen werden, Schilde verschiedenen Typs durchschlagen können. Unsere Versuche zeigten, dass die Pfeile generell bei den mit Rohhaut oder auch Leinen bespannten Holzschilden, bei Rohrschilden nach skythischem und persischem Vorbild und auch bei Nachbauten römischer Scuta und griechischer Aspices durchaus den Schildkörper durchdringen können, wobei die Eindringtiefe sowohl vom Typ der Pfeilspitzen als auch vom Schildtyp abhängen. Bei Pelten, also Schilden aus mit Rohhaut überzogenem Weidengeflecht, ließ sich überhaupt keine Schutzwirkung feststellen; die Pfeile durchschlugen diese Schilde zum Teil bis zur Befiederung. Dieser Schildtyp hat also nur Bedeutung für den Nahkampf als Schutz vor Hieben; oder man kann Schleudersteine hiermit abwehren. Bei griechischen Schilden (dem Aspis oder Hoplon) zeigten die Pfeile eine etwas bessere Wirkung als bei den Holzschilden und waren vergleichbar mit den römischen Scuta. Die Spitzen durchdrangen diese Schilde nur um wenige Millimeter bis Zentimeter. Schon der moderne Nachbau eines Reiterbogens mit 40 lbs Zuggewicht bei 62 cm Auszuglänge zeigte Wirkung bei allen Schilden, mit ihm abgeschossene Pfeile durchdrangen den Schildkörper immer, wenn auch manchmal nur um wenige Millimeter. Die Schlussfolgerung ist, dass bei Pelten Bogen mit den relativ niedrigen Zuggewichten von 42–45 lbs durchaus genügen, um die Schutzwirkung dieses Schildtyps vollständig aufzuheben. Bei den anderen vier Schildtypen (Scutum, Aspis, Holzschild und Rohrschild) hängt die Eindringtiefe vom Zuggewicht des Bogens und dem Typ der Pfeilspitze ab; je nach Spitzentyp kann der Pfeil nach wenigen Millimetern abgebremst werden oder um bis zu 20 cm eindringen, was fatale Folgen für den Schildträger haben kann. Beim mit Rohhaut überzogenen Holzschild konnte in einigen Fällen ein einzelner Treffer tief genug eindringen, um fatale Wirkung zu haben. Beim Scutum konnten wir zeigen, dass durch massiven Beschuss ein solcher Schild nach etwa 15–20 Treffern "mürbe" geschossen ist, so dass ab dann Pfeile bis etwa zur Hälfte ihrer Länge eindringen. Diesen Versuch haben wir mangels Pfeilspitzen beim Aspis nicht wiederholt. Ansonsten lag dieser griechische Schildtyp in seiner Schutzwirkung etwas besser als das Scutum. Bei den Bogen ergaben sich die folgenden Erkenntnisse. Die Nachbauten, die auch moderne Materialien enthielten, änderten ihre Kraft-Weg-Kurven und Effizienzen über den gesamten Zeitraum nicht. Die Bogen, die möglichst originalgetreu gebaut wurden, gewannen über die ersten drei Jahre an Zugkraft (waren also dann auch stärker als im Antrag vorgesehen) und warfen die Pfeile entsprechend schneller, wenn sie direkt nach dem ersten Aufspannen benutzt wurden. Ließ man sie jedoch einige Wochen aufgespannt und unternahm einige Zugversuche mit ihnen, bevor sie wieder richtig benutzt wurden, so hatten sie wieder annähernd das Zuggewicht wie zu Beginn bei der Beschaffung. Der Nachbau eines türkischen Kompositbogens hatte bis Ende 2007 über 20% an Zugkraft hinzu gewonnen, ließ sich aber durch das gleiche Vorgehen wie bei den nur mit Sehnen belegten Bogen in seinem Zuggewicht reduzieren. Es zeigte sich, dass die Effizienz (Quotient aus kinetischer und potentieller Energie) der modernen Nachbauten antiker Bogen größer war als die Effizienz der werkgerechten Nachbauten. Dies kann jedoch daran liegen, dass zum Berechnen der potentiellen Energie die Fläche unter der Kraft-Weg-Kurve beim Ausziehen bestimmt wird und nicht diejenige beim Zurückgleiten der Bogensehne vom vollen Auszug in die Ruhestellung (welche die Kraftübertragung auf den Pfeil tatsächlich beschreibt). Wir haben aber bei einer Versuchsreihe im Rahmen eines Projektes zur Rekonstruktion antiker boiotischer Bogen festgestellt, dass die Kompositbogen in diesem Projekt eine beachtliche Hysterese-Fläche aufwiesen. Bei den modernen Bogen war praktisch keine Fläche in der Hysterese-Schleife. Unsere Versuche haben das Folgende gezeigt. Wenn es darum geht, die Wirkung von Bogen auf Schutzwaffen zu prüfen, muss man nicht auf originalgetreu gebaute Bogen zurück greifen, hier können auch Bogen verwendet werden, die unter Verwendung von Glasfaser oder Karbon gebaut sind. Hier kommt es letztlich nur auf die Pfeilgeschwindigkeit und den Impuls an. Da diese "modernen" Bogen ihre Wurfeigenschaften über die Zeit kaum ändern, sind sie sogar für solche Versuche noch geeigneter als originalgetreue Nachbauten. Wenn man jedoch auch Aussagen über die speziellen Eigenschaften antiker Bogen (wie die Effizienz) erhalten will, kommt man nicht um die Verwendung der historisch nachgewiesenen Materialien beim Bogenbau herum. Diese Bogen sind zum Teil wesentlich leichter als moderne, mit Glas belegte Bogen; ihre Wurfarme haben dementsprechend weniger träge Masse und können schneller beschleunigen. Ob dies die ansonsten besseren Eigenschaften der - schwereren - modernen Materialien kompensiert, war nicht Gegenstand dieses Projektes.

 
 

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