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Transformationen des polizeilichen antiziganistischen Diskurses: vom „rassischen“ Paradigma zur genozidalen Praxis (1850-1950)
Antragsteller
Dr. Frank Reuter
Fachliche Zuordnung
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung
Förderung seit 2024
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 463005852
Das Teilprojekt hat sich zum Ziel gesetzt, den Transformationsprozess von einem primär soziografischen "Zigeuner"-Verständnis hin zu einem "rassenbiologischen" Begriff zu rekonstruieren: sowohl auf der wissenschaftlich-theoretischen Ebene des kriminologischen und eugenischen Diskurses als auch in der polizeilichen Praxis. Mittels einer wissenschaftsgeschichtlich fokussierten Diskursanalyse soll der Wissenstransfer zwischen verschiedenen Akteur*innen untersucht werden. Neben dem Wandel des "Zigeuner"-Konstrukts soll die Triangulation zwischen Selbstentwürfen der Mehrheitsgesellschaft, Antiziganismus und anderen Othering-Diskursen analysiert werden; dies gilt in erster Linie für Verschränkungen mit dem Kolonialrassismus und Antisemitismus. Dabei soll das transnationale Diskurs- bzw. Korrespondenznetzwerk, das Wissen über Sinti*zze und Rom*nja produzierte, erstmals in seiner von vielfältigen Verflechtungen geprägten Genese dargestellt werden. Als Ausgangspunkt der Recherche wird das Personal der 1936 gegründeten "Rassenhygienischen Forschungsstelle" genommen. In welchen scientific bzw. epistemic communities waren die dort Forschenden sozialisiert? Zentral ist die Frage, ob es einen personellen oder ideellen Zusammenhang zu jenen Akteur*innen gab, die maßgeblich verantwortlich für die Durchsetzung "rassenbiologischer" Semantiken Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts waren. Außerdem soll die Rolle von Frauen bei der angestrebten Analyse des Diskurs- und Korrespondenznetzwerks geschlechterhistorisch differenziert herausgearbeitet werden. Der Stellenwert der "rassischen" "Zigeuner"-Definition im Nationalsozialismus und ihrer Ambivalenzen soll innerhalb der vom NS-Staat intendierten gesellschaftspolitischen Neuordnung Europas verortet und dabei auch nach der Deutungshoheit von „Rasse-Expert*innen“ gefragt werden, die an Untersuchungen sowie Deportations- und Vernichtungsmaßnahmen unterschiedlicher Gruppen beteiligt waren. Insbesondere soll der Einfluss des "rassenbiologischen" "Zigeuner"-Konzepts beim Export genozidaler Gewalt in deutsch annektierten Grenzgebieten - einhergehend mit einem Transfer von Personal, Praktiken und Wissen - genauer in den Blick genommen werden. Der Fokus des Teilprojekts liegt auf der Täter- und Wissenschaftsgeschichte. Dennoch soll mittels sozialgeschichtlicher Ansätze auch eruiert werden, wie die von der stigmatisierenden Fremdbezeichnung Betroffenen ihre Agency dazu nutzten, um widerständige Strategien gegen Verfolgungspraxen und Alteritätskonstruktionen zu entwickeln. Am Beispiel ausgewählter Interaktionsräume soll, sofern die Quellenlage es zulässt, die Vielfalt von Lebensentwürfen sichtbar gemacht werden, die ein differenziertes Bild von Siniti*zze und Rom*nja jenseits stereotypisierender Zuschreibungen erlauben.
DFG-Verfahren
Forschungsgruppen
Mitverantwortlich(e)
Professorin Dr. Tanja Penter