Interaktion von Sozialsystem, Partnerwahl, Parasitenbelastung und MHC-Konstitution und deren Konsequenzen für die individuelle Fitness am Beispiel zweier Lemurenarten (Microcebus murinus, Cheirogaleus medius)
Final Report Abstract
Weibchen können, nach den Annahmen der sexuellen Selektionstheorie, die Fitness ihrer Nachkommen durch selektives Verpaaren mit bestimmten Männchen erhöhen. Als einer der besten potentiellen Kandidaten für die genetische Basis von Partnerwahl bei Vertebraten werden die Gene des Haupthistokompatibilitätskomplexes ("Major Histocompatibility Complex", MHC) angesehen. Neben ihrer großen Bedeutung in der Resistenz gegen Parasiten und Pathogene, beeinflussen MHC-Gene den individuellen Geruch, der bei Partnerwahl, Verwandtenerkennung und Inzuchtvermeidung von Bedeutung ist. Verschiedene Erklärungsansätze, wie durch natürliche Selektion die außerordentliche MHC-Variabilität aufrechterhalten werden kann, werden derzeit diskutiert. Die meisten diesbezüglichen MHCUntersuchungen fanden unter Labor- oder seminatürlichen Bedingungen statt, mit den bekannten Vorteilen konstanter bzw. kontrollierbarer Parameter, aber auch mit dem Nachteil, dass verschiedene natürliche Selektionsmechanismen nicht oder nur eingeschränkt wirken konnten. Im Rahmen dieses Projektes wurde der Einfluss der individuellen neutralen und adaptiven MHC Variabilität auf die Partnerwahl und Parasitenbelastung am Beispiel zweier eng verwandter, im gleichen Lebensraum vorkommender Lemurenarten (Microcebus murinus, Cheirogaleus medius) untersucht und die Konsequenzen potentieller MHC-abhängiger sexueller Selektionsstrategien auf Fitness und Parasitenresistenz der Nachkommen analysiert. Die erstgenannte Art ist promiskuitiv, die zweite paarlebend. In beiden Arten konnten gezeigt werden, dass die individuelle MHC-Konstitution in der Parasitenresistenz von großer Bedeutung ist und bestimmte MHC Allele mit einer hohen oder niedrigen Parasitenbelastung assoziiert sind. Bei M. murinus wurde darüber hinaus festgestellt, das Individuen mit einer höheren Aminosäuredistanz zwischen den MHC-Allelen (d.h. Individuen mit sehr unterschiedlichen MHC Allelen) mit einer geringeren Anzahl Nematodenarten infiziert waren und eine geringere Infektionsintensität aufwiesen, als Individuen mit sehr ähnlichen MHCAllelen. In beiden Arten konnte ebenfalls MHC-abhängige Partnerwahl festgestellt werden, dahingehend das Partner mit einer geringeren Ähnlichkeit zum eigenen MHC bevorzugt wurden. Diese disassortative Partnerwahl könnte ebenfalls die hohe Rate an außerhalb des Paarbundes gezeugter Jungen im sozial monogamen Fettschwanzmaki erklären, denn "betrogene" Sozialpartner waren ihren weiblichen Partnern ähnlicher als die Partner "treuer" Weibchen. Darüber hinaus konnten durch die Studie im Mausmaki erstmals in wildlebenden nicht-humanen Primaten Hinweise gefunden werden, dass kryptische, postkopulative Mechanismen eine wichtige Rolle bei der Fertilisation spielen. Partnerwahl unter Berücksichtigung genetischer Eigenschaften führt in beiden Arten zur Erhöhung der adaptiven und neutralen genetischen Variabilität, was wiederum die Anpassungsfähigkeit der Nachkommen an zukünftige Umweltveränderungen erhöhen könnte. Dies scheint in Anbetracht der hohen Parasiten- und Pathogendiversität in der Natur ein wichtiger Selektionsfaktor zu sein. Schlussfolgernd lässt sich sagen, dass die Studie zum Verständnis der Bedeutung MHC-abhängiger Partnerwahl auf die MHC-Diversität beigetragen hat, und somit Rückschlüsse auf die genetischen Grundlagen von Verhalten und evolutionsrelevanter Ökologie ermöglicht. Die Ergebnisse wurden in diversen Publikumsmedien (deutsche und englischsprachige Tageszeitungen, populärwissenschaftliche Journale) durch die Pressestelle des Leibniz- Institutes für Zoo- und Wildtierforschung veröffentlicht.
Publications
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Schwensow N & Sommer S. Partnerwahl hängt von den Genen ab. Verbundjournal der Leibniz- Gemeinschaft. Sept 2007, 7.
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Schwensow N, Dausmann K, Eberle M, Fietz J & Sommer S (2004) Interaktion von Sozialsystem, Partnerwahl, Parasitenbelastung und MHC-Konstitution und deren Konsequenzen auf die individuelle Fitness am Beispiel zweier Lemurenarten. 18.06.2004. VI. Kirindy Symposium, Deutsches Primatenzentrum (DPZ) Göttingen, Deutschland.
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Schwensow N, Dausmann K, Fietz J & Sommer S (2006) MHC-dependent mate choice and parasite resistance in fat-tailed dwarf lemurs (Cheirogaleus medius). 08.06.2006. VII. Kirindy Symposium, Deutsches Primatenzentrum (DPZ) Göttingen, Deutschland. Schwensow N, Dausmann K, Fietz J & Sommer S (2007) MI-IC, mate choice and parasites in a free-living primate. 26.08.2007. XI Congress of the 'European Society of Evolutionary Biology (ESEB)1, Uppsala, Schweden.
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Schwensow N, Dausmann K, Fietz J & Sommer S (2007) MHC, mate choice and parasites in a free-living primate. 08.10.2007. 6th International Zoo and Wildlife Conference on Behaviour, Physiology and Genetics, Berlin, Deutschland.
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Schwensow N, Fietz J, Dausmann K & Sommer S (2007) MHC-associated mating strategies and the importance of overall genetic diversity in an obligate pair-living primate. Evol Ecol, DOl 10.1007/S10682-007-9186-4.
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Schwensow N, Fietz J, Dausmann K & Sommer S (2007) Neutral versus adaptive genetic variation in parasite resistance: importance of MHC-supertypes in a free-ranging primate. Heredity 99, 265-277.
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Sommer S (2007) Genes & Health: The Role of Immune Gene Variability (MHC) in Parasite Resistance in Fragmented Animal Populations. 19.09.2007. Eingeladene KeyNote Speakerin, 36th Annual Conference of the Parasitological Society of Southern Africa (PARSA). Parasites: Research, Management & Education. Malelane, Südafrika.
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Sommer S (2007) MHC-dependent mate choice and the evolution of life history strategies. 23.02.2007. Eingeladener Plenarvortrag, Annual Meeting of the Study Group Evolutionary Biology of the German Zoological Society (DZG), Bayreuth, Deutschland.
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Sommer S (2007) Why MHC makes the difference - its role in various fields. 26.08.2007. Eingeladener Hauptvortrag, XI Congress of the 'European Society of Evolutionary Biology (ESEB)', Uppsala, Schweden.