Wirtschaftlicher und sozialer Wandel in einer pastoralnomadischen Gruppe Ostafrikas (Pokot, Kenia): Pauperisierung, Diversifizierung, Stratifizierung und Konflikt
Final Report Abstract
Die Forschungsergebnisse zeigen, dass sich die Pokotgesellschaft in knapp zwei Jahrzehnten stark verändert hat. Wie zu Beginn der Forschung angenommen, haben die Akteure auf die lokalspezifische Krise des Pastoralismus reagiert und versucht, sich den veränderten Rahmenbedingungen auf innovative Art und Weise anzupassen. Die daraus resultierenden Transformationen sind weitaus fundamentaler und umfassender als es die Datenlage zu Forschungsbeginn vermuten ließ. Die prognostizierte Diversifizierung der Ökonomie ist mittlerweile sehr weit fortgeschritten und in den wachsenden Siedlungen der Region kann man bereits von einer postpastoralen 'mixed economy' sprechen. Meine Daten belegen, dass sich auch die Herdenhaltung selbst stark verändert hat und dass die Pastoralisten es verstanden haben, diese enorm zu intensivieren. Dies gelang vor allem durch die Umstellung auf Kleinviehhaltung und die gelungene Anbindung der lokalen Tierproduktion an die regionalen und nationalen Märkte, von der auch Rinder- und Kamelhaltung betroffen sind. Mit den zunehmend wichtiger werdenden marktwirtschaftlichen Prozessen eröffnen sich vor allem in den Bereichen Viehhandel und Einzelhandel momentan attraktive neue Möglichkeiten, wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen, von denen viele Haushalte profitieren können. Die wirtschaftlichen Transformationsprozesse bergen allerdings auch ungewohnte Risiken, die zum wirtschaftlichen Niedergang von Teilen der Bevölkerung führen und zu einem allerorts bemerkbaren Pauperisierungstrend beitragen. Insgesamt betrachtet lassen sich neue Muster der Besitzverteilung feststellen, die auf eine zunehmende Stratifizierung, wenn nicht gar Polarisierung der Pokotgesellschaft hindeuten. Die Daten zeigen, dass heute mehr Menschen und mehr Tiere als jemals zuvor in East Pokot die natürlichen Ressourcen nutzen und ausbeuten und dass ein Ende dieser Entwicklung gegenwärtig nicht absehbar ist, da semi-aride Savannengebiete zumindest temporär einen sehr hohen Weidetierbesatz tolerieren. Die Konflikteskalation erschwert die mobile Herdenhaltung und leistet als Push-Faktor einen maßgeblichen Beitrag zum allgemeinen Sedentarisierungstrend. Die Möglichkeiten des Marktes und des Anbaus, sowie die Bereitstellung permanenter Wasserdepots durch Entwicklungsprojekte können hingegen als wichtigste Pull-Faktoren gelten, welche die Attraktivität einer eher sesshaften Existenz steigern. Insgesamt betrachtet sind die Forschungsergebnisse ein Beleg für die erstaunliche Dynamik und Wandlungsfähigkeit pastoraler Systeme. Die Pokotgesellschaft ist mit der Anbindung an den Markt, der Diversifizierung der Ökonomie und der Umstellung auf Kleinviehhaltung in eine neue historische Phase eingetreten, die nicht mehr von der spezialisierten mobilen Herdenhaltung dominiert wird. Anders als beim Übergang zum spezialisierten Pastoralismus vor rund 200 Jahren läßt sich diese Transformation nicht primär auf eine Veränderung des Klimas zurückfuhren, sondern hat soziale, politische, wirtschaftliche und ökologische Ursachen.
Publications
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2007: Armed Economies, Militarized Identities, Excessive Violence: Automatic Rifles and the Transformation of Nomadic Pastoralism in Northwest Kenya. In: Bollig, Bubenzer, Vogelsang & Wotzka (Hg) - Aridity, Change and Conflict in Africa. Köln: Heinrich.Barth-Institut. S. 193-222
Österle, Matthias
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2008: Innovation und Transformation bei den pastoralnomadischen Pokot (East Pokot, Kenia). Dissertation. Universität zu Köln
Österle, Matthias