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Desintegrative Harmonik in der Musik Dmitri Schostakowitschs

Antragsteller Dr. Tobias Schick
Fachliche Zuordnung Musikwissenschaften
Förderung Förderung seit 2024
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 540514463
 
Der charakteristische Tonfall von Dmitri Schostakowitschs Musik beruht zu großen Teilen auf idiomatischen melodischen Fortschreitungen und harmonischen Wendungen. Umso erstaunlicher ist es, dass bislang weder auf Englisch noch auf Deutsch monographische Darstellungen vorliegen, die den Fokus explizit auf die Tonhöhenbeziehungen in Schostakowitschs Musik legen. Diese Lücke zu schließen, ist das Hauptziel meines Vorhabens. Bisherige Arbeiten zu diesem Thema sind meist einem von zwei hauptsächlichen Forschungssträngen zuzurechnen: sowjetische bzw. russische Forschungen, in denen modale Theoriekonzepte vorherrschen und neuere Ansätze meist US-amerikanischer Provenienz, die an das Zusammenspiel von diatonischen (durmolltonalen oder modalen) und chromatischen (posttonalen) Momenten mit Analysemethoden aus dem Umfeld der Pitch Class Set Theory und der Neo-Riemannian Theory herangehen. In beiden Fällen ist die Tendenz nicht zu übersehen, divergente Erscheinungen auf einheitliche Prinzipien und regelmäßige Muster zurückzuführen, was in einem gewissen Widerspruch zur Wahrnehmung von Schostakowitschs Musik steht, für die gerade unvorhersehbare Volten und plötzliche Brüche das Charakteristische sind. Voraussetzung für meine wahrnehmungsbezogene Herangehensweise ist zunächst, die bei der Gruppierung von musikalischen Abschnitten wirksamen musikpsychologischen Mechanismen darzustellen. Der eigentliche Hauptteil meines Vorhabens besteht darin, eine Typologie von wiederkehrenden melodischen Wendungen, Stimmführungsmustern und Akkordverbindungen zu entwickeln, die die Idiomatik von Schostakowitschs Musik bedingen. Da es kaum Hinweise dafür gibt, dass Schostakowitsch mit Hilfe von a priori definierten Regeln oder Systemen komponiert hat, die über die am St. Petersburger Konservatorium gelehrte traditionelle Harmonielehre hinausgehen, kann dies kaum anders gelingen als durch eine induktive Abstraktion von wiederkehrenden Mustern aus einer Vielzahl an Fallbeispielen. Das Herzstück meiner Arbeit werden daher Analysen von mindestens 30 bis 40 Werken bilden, die notgedrungen auf die jeweiligen Phänomene zugeschnitten sein müssen. Da sich die Tonhöhenkonstellationen in Schostakowitschs Musik jedoch kaum von ihren werkindividuellen wie übergeordneten semantischen und expressiven Kontexten abstrahieren lassen, wird Schostakowitschs Harmonik in umfangreicheren Analysen einiger Werke in Beziehung zu anderen Aspekten der Musik gesetzt. Eine Reihe exemplarischer Vergleiche mit Werken von Sergej Prokof’ev bis Béla Bartók dient einer musikgeschichtlichen Kontextualisierung. Zugleich lassen sie das Spezifische von Schostakowitschs Musik besser hervortreten mit dem Ziel, ihrer Faszinationskraft ein Stück weit auf die Spur zu kommen.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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