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Gelehrt, praktisch, populär - Graphologie in Deutschland 1890-1949

Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung von 2003 bis 2009
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5405273
 
Gegenstand des Projekts ist die wissenschaftliche Verallgemeinerung vormals exklusiv bürgerlicher Konzeptionen des Menschen als individueller Charakter im Zeitraum von 189o bis 1939 in Deutschland. Das Forschungsvorhaben setzt an einem zunächst paradoxen Befund an: in der bildungsbürgerlich geprägten Kulturkritik wurde einerseits gegen die Auflösung der Persönlichkeit im Zuge ökonomischer und wissenschaftlicher Rationalisierung polemisiert; andererseits aber wurden aus dieser modernisierungskritischen Haltung heraus rationale Systeme zur Bestimmung individueller Charaktereigenschaften produziert, die funktionale Bedürfnisse der heraufziehenden Massengesellschaft vor allem deshalb befriedigen konnten, weil sie wissenschaftsförmig konzipiert waren. Anvisiert wird daher eine kulturgeschichtlich ausgerichtete Neuvermessung des Basisprozesses der "Verwissenschaftlichung des Sozialen" (Lutz Raphael). Damit soll das Ausschließungsverhältnis von wissenschaftlich-rationalem Zugriff auf Gesellschaft und individueller Selbstbehauptung des bildungsbürgerlichen Subjekts aufgebrochen und eine Entgrenzung der oft allzu linearen gedachten Abschottung beider Bewegungen vorgenommen werden. Im Mittelpunkt der Arbeit steht die Untersuchung von Veränderungs- und Transformationsprozessen charakterologischer Wissensbestände. Es soll gezeigt werden, wie in dieser Dynamik Alltag und Wissenschaft nicht nur theoretisch aufeinander bezogen wurden, sondern wie sich in den Konzeptionen des Charakters außerwissenschaftliche, dezidiert modernisierungskritische und innerwissenschaftliche Diskurse überschnitten, einander wechselseitig beeinflußten und so einen Gegenstandsbereich konstituierten, in dem die Grenzen von rationalem System und Lebenswelt zunehmend unkenntlich wurden. Die Konvergenz sozialer und fachwissenschaftlicher Problemhaushalte soll in zwei methodisch und konzeptionell eigenständigen Teilprojekten anschaulich gemacht werden.
DFG-Verfahren Schwerpunktprogramme
Beteiligte Person Professor Dr. Rüdiger vom Bruch (†)
 
 

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