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Die bundesdeutsche Rechte und die „Sexuelle Revolution“ seit den 1960er Jahren

Antragsteller Dr. Sebastian Bischoff
Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung seit 2024
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 541080944
 
1970 resümierte der Bundesgerichtshof, in der Bundesrepublik sei in nur einem Jahrzehnt „die bisherige Tabuisierung des Sexuallebens nahezu völlig abgebaut worden, so dass Fragen der Sexualität nunmehr in aller Offenheit erörtert werden“. Diese Vorstellung eines radikalen wie schnellen Wandels der Sexualmoral wurde in der Forschung längst durch die Untersuchung langer historischer Linien, gegenläufiger Bewegungen und Stabilitäten der Sexual- und Geschlechterordnung relativiert. Auffällig ist jedoch, dass die gesellschaftlich breit getragene ideologische wie aktivistische Gegenwehr in der historischen Forschung noch nicht fokussiert wurde. Dabei hatte der sexuelle Wandel in großen Teilen der bundesdeutschen Christdemokratie und des Konservatismus, in kirchlichen Kreisen und der völkisch-radikalnationalistischen Rechten einen erbitterten Gegner gefunden. Wenn Ulrich Herbert für die Zeit zwischen den 1950er und 1970er Jahren nach den „Trägergruppen des Wandels“ in Westdeutschland fragt, soll sich hier an einer Sichtung von Trägergruppen der Beharrung versucht werden. Die sich als entschiedene Gegner dieses spezifischen sexuellen „Fortschritts“ wahrnehmenden Akteure, ihre Diskussionsbeiträge und Netzwerke in den Blick zu nehmen, erscheint zudem über den historischen Einzelfall hinaus lohnend. Kann dies doch als Sonde in die gesellschaftlichen Aushandlungsprozesse um die Modernisierung um die Modernisierung der Sexual-, Familien- und Geschlechterordnung und damit grundlegend um die moralisch-ethische Deutungshoheit der Zeit dienen. Fokussiert werden sollen dabei, neben Protagonisten und Protagonistinnen, ihren Netzwerken, Organisationen sowie verschiedenen, meist lokalen Aktionsformen, drei Themen, an denen sich hitzige Debatten entzündeten und die zur Sammlung der diversen Gegenkräfte führten: 1. Die „Pornowelle“ und die Freigabe „unzüchtiger Schriften“ als Kristallisationspunkt rechter Verfallsdiagnosen. 2. Die Debatte über die staatliche Sexualerziehung als zentraler Ort der Aushandlung des Verhältnisses von Staat und Kirche und der Bedeutung von Moralvorstellungen in Bezug auf Familie, Kindheit und das Eingriffsrecht des Staates ins Elternrecht 3. Die Ablehnung homosexuellen Begehrens als zentraler Subtext der zeitgenössisch medial verbreiteten moral panic „Gruppensex“ Ein zweiter, etwa ein Zehntel der Untersuchung einnehmender, in den Ausblick der geplanten Monografie und einen Zeitschriftenbeitrag eingehender Teil verfolgt das Ziel einer Verbindung von Diskurs-/Wirkungs- und Erinnerungsgeschichte: Nicht das Verhältnis der politischen Rechten zur Sexualität wird im Vordergrund stehen, sondern die in ihrer Ambivalenz gedächtnis- und identitätsstiftende Rolle der „sexuellen Revolution“ als Erinnerungsort an diskursiv-medialen Kristallisationspunkten.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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