Räumlichkeit und Soziales Kapital in der Sozialen Arbeit. Zur Governance des sozialen Raums
Final Report Abstract
Eine Orientierung am Sozialraum gewinnt im Verlauf der 1990er Jahre fachlich wie politisch erheblich an Bedeutung und etabliert sich zunehmend als eine generelle Perspektive personenbezogener sozialer Dienstleistungen. Anliegen des Forschungsprojektes war vor diesem Hintergrund die systematische, empirische Analyse von sozialräumlichen Perspektiven und Raummodellen (Räumlichkeit), wie sie in programmatischen Diskursen (1), seitens der Professionellen (2) und durch die Praxis und Zustände der Betroffen (3) artikuliert werden. Der Sozialraum markiert in programmatischen Diskursen einen (diffusen) Knotenpunkt, in dem wesentliche Prämissen von Wirtschaftlichkeit, Prävention, Netzwerkbildung und Ressourcenorientierung unter einem Topos zusammengeführt werden. Damit wird eine strategische Neuausrichtung Sozialer Arbeit nahe gelegt, die auf einer partizipativen, ko-produktiven (Mit-)Verantwortung territorial verödeter Adressatinnen aufbaut und versucht, passgenaue Maßnahmen zur Bearbeitung 'sozialräumlicher Problemlagen' zu entwickeln. In der Perspektive der Professionellen finden sich in einigen Aspekten zwar durchaus deutliche Korrespondenzen, zu den programmatischen Prämissen, insgesamt kann jedoch weniger von einer grundlegenden Neuausrichtung, sondern eher von einer pragmatischen Adaption an den Sozialraumdiskurs gesprochen werden. Dabei finden sich durchweg deutliche, u.a. institutionell prä-strukturierte Formulierungen von (sozial-)räumlichen Bezügen. Ihnen kommt - ohne als ,Sozialraumorientierung' thematisiert zu werden - eine wesentliche Rolle mit Blick auf die Konstitution von (unterschiedlichen) Problemen und die Gestaltung entsprechender Angebote und Maßnahmen zu. Eine komplexe, empirisch umfassende Analyse der lokalen Bezüge, Ressourcen, Netzwerke und Vergemeinschaftungsweisen von BewohnerInnen eines sozialräumlich problematisierten Gebiets lässt indes deutliche Zweifel an der Angemessenheit der sozialräumlich orientierten Programmatik aufkommen. Die räumlich-territoriale Verortung der Befragten und deren symbolische Bewertung haben sich als relativ unabhängig von dem Raum ihrer sozialen Beziehungen erwiesen. Die lokale, kollektive Eingebundenheit und die individuelle Situation bzw. die netzwerkvermittelten Zugänge zu unterschiedlichen Ressourcen stehen in der Regel in keinem und u.U. sogar in einem reversen Zusammenhang. Für die Mehrzahl von sozialpädagogisch und -politisch relevanten Problemlagen einzelner (benachteiligter) Akteurinnen finden sich kaum Hinweise darauf, dass der als geographischer Ort oder Stadtteil beschriebene Sozialraum eine angemessene Interventionsebene darstellt. Das Projekt liefert somit fundierte Ergebnisse, um lokal verursachte bzw. sozialräumlich sinnvoll bearbeitbare Problembereiche von solchen Lebenschancen und Lebensführungen individueller AdressatInnen zu unterscheiden, die durch sozialstrukturelle Verortung im gesellschaftlichen Raum strukturiert sind. Während sozialräumliche Programmatiken einen Beitrag zur Stabilisierung 'benachteiligter Stadtteile' leisten können, sind Personen adressierende sozialpädagogische (und -politische) Maßnahmen dann sinnvoller, wenn es um die Frage eines Abbaus sozialer Ungleichheit und der Eröffnung von Handlungsbefähigungen geht.
Publications
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