Der deutschsprachige Lektürekanon in den höheren Schulen Westfalens: Erschließung und Dokumentation anhand von Schulprogrammen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts
Final Report Abstract
Trotz jahrzehntelanger Kanondebatten, an denen sich seit den 1990er Jahren zunehmend auch die Literaturwissenschaft beteiligt, gab es bisher kaum empirische Langzeitstudien zur literarischen Kanonisierungspraxis von Institutionen, die als Kanoninstanzen an der Aufrichtung und Durchsetzung kultureller Traditionen beteiligt sind. Das unter der Leitung von Prof. Dr. Hermann Korte an der Universität Siegen ansässige und von der DFG zwischen 2004 und 2007 geförderte Forschungsprojekt Der deutschsprachige Literaturkanon in den höheren Schulen Westfalens: Erschließung und Dokumentation anhand von Schulprogrammen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts hat nunmehr in mehreren Publikationen differenzierte und empirisch breit fundierte Ergebnisse zur Genese und Formierung des schulischen Lektürekanons voriegen können. Das Projekt schließt damit für diesen Zeitraum eine Forschungslücke hinsichtlich der historischen Rekonstruktion literarischer Kanonbildung, namentlich mit Blick auf die wichtige Bildungsinstitution und Kanoninstanz des höheren Schulwesens: Erstmals konnte systematisch der faktische Lektüre- und Literaturkanon westfälischer Gymnasien für den Zeitraum von 1820 bis 1918 erfasst werden. Die Resultate beinhalten zum einen Ergebnisse zur Kanonfrage als Diskursthema In gymnasialen Schulprogrammschriften, Erkenntnisse zur Praxis des Umgangs mit dem entstehenden deutschsprachigen Lektürekanon, den Nachweis bestimmter Phasen in Durchsetzung, Revisionen und Umbrüchen des literarischen Kanons sowie spezifische Ausprägungen einer innerschulischen Kanonarchitektur und -dynamik. Zum zweiten konnten präzise Ergebnisse über Kanonisierungsprozesse im Einzelnen entfaltet werden, beispielsweise bezogen auf noch heute ,maßgebliche', sowohl kanonhistorisch als auch im literaturdidaktischen Diskurs traditionell verankerte oder auch dekanonisierte Autoren, Texte sowie unterschiedliche Gattungen wie z.B. zum Drama, zur Novelle, zum Roman, zur Sage, zum Märchen etc. Drittens zeigen die Projektergebnisse neue Erkenntnisse über das Zusammenspiel schulischer Kanonisierungsmedien, über den Konnex von Kanonwissen und dessen Transfer sowie über den Zusammenhang von Kanonvermittlung und Lehrmedien in der Schule. Die Projektergebnisse fordern dazu heraus, die aktuellen Bemühungen um kanontheoretische Modellierungen in kulturwissenschaftlicher Perspektive fortzusetzen und gedächtnis- und erinnerungstheoretisch, identitätstheoretische und kultursoziologische Ansätze um weitere „Bausteine der kulturwissenschaftlichen Kanontheorie" wie etwa Aufmerksamkeitstheorien zu ergänzen als Sicht auf den „Kanon als kulturelle Resonanz" (Korte 2008). Die Kanonforschung hat somit über die auf Literatur bezogene Wertungsforschung hinaus ihr Interesse zu richten z.B. auf Faktoren der Resonanzkonstellation, der diskursiven Vernetzungen, der Möglichkeiten von Anschlusskommunikation sowie auf die wenig erforschte faktische Geltung und Nutzung des literarischen Kanons in der kulturellen Alltagspraxis.
Publications
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Aus dem Kanon, aus dem Sinn? Dekanonisierung - am Beispiel prominenter >vergessener< Dichter. In: Der Deutschunterricht 57 (2005), H. 6, S. 6-21
Korte, Hermann
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Literaturvermittlung im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Vorträge des 1. Siegener Symposions zur literaturdidaktischen Forschung. Frankfurt am Main [u. a.] 2005. (Siegener Schriften zur Kanonforschung, 2)
Hermann Korte und Marja Rauch
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„Die Wahl der Schriftsteiler ist richtig zu leiten". Kanoninstanz Schule. Eine Quellenauswahl zum deutschen Lektürekanon in Schulprogrammen des 19. Jahrhunderts. Frankfurt am Main [u. a.] 2005. (Siegener Schriften zur Kanonforschung, 1)
Hermann Korte, llonka Zimmer und Hans-Joachim Jakob
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Das Lesebuch 1800-1945. Ein Medium zwischen literarischer Kultur und pädagogischem Diskurs. Vorträge des 2. Siegener Symposions zur literaturdidaktischen Forschung. Frankfurt a. M. [u. a.] 2006. (Siegener Schriften zur Kanonforschung, 3)
Hermann Korte und llonka Zimmer
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Der deutsche Lektürekanon an höheren Schulen Westfalens von 1820 bis 1870. Frankfurt am Main [u. a.] 2007. (Siegener Schriften zur Kanonforschung, 4)
Korte, Hermann/Zimmer, llonka/Jakob, Hans-Joachim
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Uhland im Kanon. Studien zur Praxis literarischer Kanonisierung im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Diss, masch. Siegen 2007. Frankfurt am Main [u. a.] 2009. (Siegener Schriften zur Kanonforschung, 9)
Zimmer, llonka
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„Meine Leserei war maßlos". Literaturkanon und Lebenswelt in Autobiographien seit 1800. Göttingen 2007
Korte, Hermann
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Schulprogramme als Quellen für die Wissenschaftsgeschichte der Germanistik und der Literaturwissenschaft. In: Geschichte der Germanistik. Mitteilungen 33/34 (2008), S. 125-132
Zimmer, llonka
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Was heißt: »Das bleibt«? Bausteine zu einer kulturwissenschaftlichen Kanontheorie. In: Dietrich Helms, Thomas Phleps (Hg.): No Time for Losers. Charts, Listen und andere Kanonisierungen in der populären Musik. Bielefeld 2008, S. 11-23
Korte, Hermann
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"Eine Welt voller Wunder und Abenteuer?" Zur marginalen Rolle des Märchens im Literaturkanon höherer Schulen des 19. Jahrhunderts. In: Helga Arend/Andre Barz (Hg.): Märchen - Kunst oder Pädagogik? Baltmannsweiler 2009, S. 130-146
Korte, Hermann
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Vom natürlichen Widerstand des historischen Textes gegen seine empirische Auswertung. Quellenkritische Skizze zur historisch-empirischen Schulkanonforschung an einer Reihe von Beispielen. In: Christian Dawidowski, Hermann Korte (Hg.): Literaturdidaktik empirisch. Aktuelle und historische Aspekte. Frankfurt a. M. [u.a.] 2009, S. 169-190
Jakob, Hans-Joachim
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Überlegungen zu empirischen Verfahren in der historischen Kanonforschung. In: Christian Dawidowski, Hermann Korte (Hg.): Literaturdidaktik empirisch. Aktuelle und historische Aspekte. Frankfurt a. M. [u.a.] 2009, S. 191-221
Zimmer, llonka