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Die Konstruktion einer moralischen Autorität der Natur in der Naturheilkunde

Fachliche Zuordnung Wissenschaftsgeschichte
Förderung Förderung von 2003 bis 2012
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5414844
 
In der Naturheilkunde stehen von Anfang an "Natur", "Natürlichkeit", "Naturbelassenheit" usw. im Rang einer zentralen normativen Kategorie: Gesundheitsprophylaxe und medizinische Therapie (Naturwirkfaktoren), Ernährung (Verzicht auf Luxusgifte, Vegetarismus), Bekleidung (naturbelassene Materialien) auch alltagsmoralisches Handeln (Einfachheit, Bescheidenheit, Technik- und Fortschrittsfeindlichkeit) sollen sich an einem vorgeblich überzeitlichen und inhaltlich invarianten Maßstab der Natur orientieren. Die Herkunft dieses ethischen Naturalismus in der Naturheilkunde ist bislang nicht untersucht. Da der "Natürlichkeit" aber auch außerhalb der Naturheilkunde der Status eines letztbegründenden Arguments zuerkannt wird, verspricht die historische Rekonstruktion der moralischen Autorität der Natur auch Aufschlüsse über die Hintergründe der aktuellen ökologischen und bioethischen Debatten, in denen ebenfalls ein normativ verstandener Naturbegriff argumentativ eingesetzt wird. Der Einsicht folgend, dass "Natur" und "Natürlichkeit" historisch und kulturell variable Konstruktionen und jeweils Ergebnisse menschlicher Setzungen sind, sollen in dem Projektvorhaben die Ursprünge, die Inhalte, die Erscheinungsweisen, die gesellschaftlichen Funktionen und Zwecke und die historische Dynamik dieser Normativierung der Natürlichkeit in der Naturheilkunde offengelegt werden. Die These des Projektes ist, dass in der Naturheilkunde im Anschluß an eine extern begründete und theologisch inspirierte Naturteleologie sowohl auf die Bereitstellung eines "göttlichen Heilsystems der Natur" für den Menschen als auch auf die therapeutische Zweckmäßigkeit der Naturwirkfaktoren geschlossen wird. Und noch in säkularisierter Zeit wird mit den naturheilkundlichen Lehren einer naturalistisch gedachten und intern begründeten Naturteleologie (Naturheilkraft, Naturinstinkt) eine Orientierung des Menschen an der "Natur" verbindlich gemacht. Am Leitfaden der Denkfigur der Naturteleologie und methodisch der Intellectual History folgend, soll die moralische Autorität der Natur deshalb in der Bewegung der Physikotheologie und der Naturheilkunde, in den Lehren von der Naturheilkraft und dem Naturinstinkt und in den literarischen Gattungen der Moralischen Wochenschriften und der Medizinischen Volksaufklärung rekonstruiert werden. Damit ist dieses Projekt das ideengeschichtliche Komplement zu dem wissenschaftshistorischen DFG-Projekt "Geschichte und Theorie der Naturheilkunde" (LA 469/4-1, 4-2), auf dessen Ergebnissen (Eingrenzung der Protagonisten, ihrer Theorie, ihrer Werke als eigenständige wissenschaftliche Disziplin) es ebenso aufsetzen, wie es die umfassenden Literaturverzeichnisse zur monographischen und periodischen Literatur der Naturheilkunde benutzen kann.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
Beteiligte Person Professor Dr. Alfons Labisch
 
 

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