Die Geschichte der Deutschen Forschungsgemeinschaft von den 1920er bis in die 1970er Jahre. hier: Die DFG-geförderte maschinenwissenschaftliche Forschung 1920-1970: Maschinenbauforschung im Spannungsfeld von Pfadabhängigkeit und Pfadwechsel?
Final Report Abstract
Die Ingenieur- und Naturwissenschaften dominierten erst nach dem Zweiten Weltkrieg das Förderprofil der Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG). Dies gilt pars pro toto auch lür die Maschinenwissenschaften. Bis Mitte der 1920er Jahre stellt sich hier die Forschungsförderung eher sporadisch und kaum systematischen Perspektiven verpfiichtet dar. Das lag zum einen daran, dass die neu gegründete Notgemeinschaft aus der Perspektive von Ingenieuren und Technikern als Institution zur Förderung der Geisteswissenschaften angesehen wurde, was nicht zuletzt aus ihren engen Bezügen zur Tradition wissenschaftlicher Akademien resultierte. Zweitens irritierte die Konkurrenzsituation zwischen Notgemeinschaft und Helmholtz-Gesellschaft. Letztere erhob zunächst den Anspruch, ingenieurwissenschaftliche Belange allein zu vertreten und entsprechende Initiativen zu fördern. Erst nach Mitte der 1920er Jahre etablierten sich die Maschinenwissenschaften allmählich stärker im Förderprofil der Notgemeinschaft, ohne freilich einen Schwerpunkt zu bilden. Ihre sukzessive einsetzende Förderung war dem Engagement einzelner renommierter Maschinen- und Technikwissenschaftler zu danken. Öffentlichkeitswirksame Initiativen gingen von Akteursnetzwerken aus. Diese agierten sowohl innerhalb der Fachcommunity als auch im engen Verbund mit dem Verein Deutscher Ingenieure (VDI). Sie folgten überwiegend der Strategie, einerseits für eine zunehmende Verwissenschaftlichung und Ausdifferenzierung der Disziplin zu plädieren, ohne aber andererseits die traditionell enge Verknüpfung von Theorie und Praxis aus den Augen zu verlieren. Unter diesen Prämissen geschah auch die Integration der Maschinenwissenschaften in die Notgemeinschaft und deren Förderpolitik. Insgesamt sind staatliche Fördermaßnahmen und wissenschaftspolitische Intentionen gegenüber der maschinenwissenschaftlichen Hochschulforschung in der gesamten Zeit der Weimarer Republik bis zur Mitte der 1930er Jahre quellenmäßig schwer zu beurteilen. Mit der Gründung des Gründung des Reichsforschungsrates 1937 wird der Stellenwert der DFG för die Forschungsförderung der Maschinenwissenschaften, wenngleich in Form eines starken Bedeutungsverlustes, greifbarer. Während maschinenwissenschaftliche Forschung an den Hochschulen durch DFG und Reichsforschungsrat lange Zeit nur vermittelt über die Sparten Physik, Chemie, Elektrotechnik gefördert wurden und die Schaffung einer eigenen Sparte Maschinenbau erst Ende 1944 erfolgte, hatte inzwischen das Rüstungsministerium in der Ära Speer neben der direkten Einflussnahme auf die Praxis des Maschinenbaus mehr und mehr auch die Förderung maschinenwissenschaftlicher Forschungsprojekte an sich gezogen und damit Reichsforschungsrat und DFG de facto ausgeschaltet. Der deutsche Maschinenbau sah sich insofern einem weit reichenden Zugriff durch das Ministerium Speer ausgesetzt, dessen konsequente Umsetzung eine radikale Veränderung sowohl des Produktionsregimes als auch der Schwerpunkte von Forschung und Entwicklung im Maschinenbau bedeutet hätte. Um dies zu verhindern, formierten sich an und zwischen den Hochschulen Akteursnetzwerke, die einerseits um die Fortführung traditioneller maschinenwissenschaftlicher Forschungsschwerpunkte, auch mit Blick auf internationale Forschungstendenzen, bemüht waren, ohne gleichwohl die Möglichkeit des Einwerbens von Ressourcen des Ministeriums Speer för „kriegswichtige" Forschungen ungenutzt zu lassen. In der Folge dessen übernahmen zwar nahezu alle namhaften Maschinenwissenschaftler Forschungs- und Entwicklungsaufträge vom Heereswaffenamt oder direkt von Wehrmachtsstellen, die in der Regel vom Ministerium Speer vermittelt wurden, modifizierten diese aber entsprechend den von ihnen als zielföhrend erachteten Schwerpunkten. Nach dem Zweiten Weltkrieg versuchte die DFG vergleichsweise schnell, sich als zentraler staatlicher Akteur der Förderung der Technikwissenschaften zu etablieren. Sie suchte jetzt, Einfluss auf besonders in der Zeit des Nationalsozialismus formierte Akteursnetzwerke der Ingenieurwissenschaften zu erlangen, um in gestaltender Absicht steuernd auf das Innovationssystems einwirken zu können. Andererseits gingen jetzt auch die Ingenieurwissenschaftler sehr viel stärker als in Weimarer Republik und Nationalsozialismus aufdie DFG zu. In diesem Kontext erlangten Akteursnetzwerke aus dem Hochschulbereich in den 1950er und 1960er Jahren erheblichen Einfluss auf die Aushandlung von Förderschwerpunkten der DFG. Ingenieurwissenschaftler versprachen sich von den privilegiert durch die DFG geförderten konstruktions- und grundlagenorientierten Themen die Akkumulation symbolischen Kapitals im akademischen Raum. Dieses über DFG-Projekte erworbene symbolische Kapital vermochte wiederum behilflich zu sein bei der Einwerbung von Forschungsmitteln der Bundesländer und der Industrie im Zuge der sich in den Nachkriegsjahrzehnten etablierenden Mehrquellenförderung technikwissenschaftlicher Forschung. Die DFG suchte zudem ihrerseits zunächst die Zusammenarbeit von Hochschulinstituten mit der Industrie durch Moderationstätigkeiten zu befördern und zugleich Unternehmen für gemeinsam von DFG und Industrie kofinanzierte Projekte zu gewinnen. Dieser Strategie war gleichwohl kein Erfolg beschieden. Als überraschende Forschungsergebnisse können erstens der bis 1945 geringe Stellenwert der Ingenieurwissenschaften im Förderprofil der DFG und vice versa die nach 1945 sehr rasch einsetzende Dominanz diese Fächergruppen im Fördergeschehen der DFG gelten. Zweitens gilt dies för den Befund, dass in der Zeit des Nationalsozialismus DFG und Reichsforschungsrat hinsichtlich der Förderung kriegsrelevanter Ingenieurwissenschaften durch das Rüstungsministerium in der Ära Speer de facto ausgeschaltet wurden. Drittens schließlich überraschte die große personelle und inhaltliche Kontinuität des Fördergeschehens über die Zäsur 1945 hinweg.
Publications
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Ausgetretene Pfade? Nachdenken über das Verhältnis von konstruktions- und fertigungsorientierter Forschung und Entwicklung im deutschen Maschinenbau des 20. Jahrhunderts. In: M. Hascher / S. Luther / D. Szöllösi (Hg.), Sachsen in der Wissenschafts- und Technikgeschichte, Freiberg 2005, S. 136-152
M. Buschmann / Th. Hänseroth
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Die DFG-geförderte maschinenwissenschaftliche Forschung 1920-1970: Maschinenbauforschung im Spannungsfeld von Pfadabhängigkeit und Pfadwechsel. (Forschungskolloquium Technikgeschichte, TU Dresden, 30.05.2006)
M. Buschmann
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Innovationsmuster im deutschen Maschinenbau im „Dritten Reich", der Bundesrepublik und der DDR bis 1970. (47. Deutscher Historikertag, Sektion „Gemeinsame Pfade - ungleiche Systeme", Dresden, 01.10.2008)
M. Buschmann
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Auf dem Konstruktionspfad. Die DFG-geförderte maschinenwissenschaftliche Forschung 1920-1970. In: K. Orth / W. Oberkrome (Hg.), Die Deutsche Forschungsgemeinschaft 1920-1970. Forschungsförderung im Spannungsfeld von Wissenschaft und Politik, Stuttgart 2010, S.127-143
Mirko Buschmann / Thomas Hänseroth