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Die Renaissance des Judäo-Spanischen Liedes in Israel und der Türkei heute

Antragsteller Professor Dr. Rüdiger Schumacher, seit 6/2008 (†); Professor Dr. Uwe Seifert, seit 11/2008
Fachliche Zuordnung Musikwissenschaften
Förderung Förderung von 2004 bis 2010
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5426772
 
Erstellungsjahr 2008

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die Untersuchungsergebnisse bestätigen die Ausgangsthese des Projektes, welche voranstellt, daß das judäo-spanische Liederbe osmanisch-türkischer Tradition in der modernen israelischen Gesellschaft gegenüber der türkischen Diaspora eigenständige Ausdrucksformen entwickelt. Die Studie zeigt detailliert auf, in welchen Aspekten die in der Türkei lebenden Musiker ihr Liederbe als in Konkurrenz zu dem in Israel herausgebildeten Repertoire sehen: vor allem die von Israel ausgehenden Impulse zur Neuschöpfung sephardischer Lieder werden von den Protagonisten des Genres in der Türkei aufgrund weitgehender sprachlicher, formaler und aufführungstechnischer Veränderungen kritisch diskutiert - dennoch zum Teil übernommen. Die israelischen Transformationen in Musik und Kontext betreffen sowohl das Repertoire selbst, als auch einen veränderten Umgang mit der Tradition: hierzu gehört eine höhere Wertschätzung der einst ausschließlich an das Haus und die weibliche Transmission gebundenen Lieder, welche die Präsentation auf der Bühne und in den elektronischen Publikumsmedien einschließt. Es wird eine graduelle Loslösung des Repertoires von seiner bisher ethnisch gebundenen und genderspezifischen Transmission beobachtet. Das kulturelle Selbstverständnis der türkischen Musiker kann demgegenüber als konservativ bezeichnet werden. Doch da Adaptionen aus der türkischen Musik und Neuschöpfungen in Komposition und Text hier ebenfalls bewußt in das Repertoire eingefügt werden, kommt es zur Akzeptanz israelischer Inventionen. Maßgebend für die vergleichsweise dynamische Veränderung des Repertoires in Israel sind außermusikalische Parameter und eine gegenüber der Türkei stärker medienorientierte Aufführungspraxis. Unter den neuen historischen und soziokulturellen Rahmenbedingungen im Staat Israel trägt, neben kulturpolitischen Vorgaben, vor allem die Situation der jüdischen Bevölkerung als eine Mehrheitsgesellschaft zu der beschriebenen Entwicklung bei. Unter den überraschenden Ergebnissen ist hervorzuheben, daß insbesondere die Generation der über 50jährigen Israelis darin aufgeschlossen ist, musikalische Neuschöpfiingen in das sephardische Repertoire zu integrieren. Die in der Türkei lebenden Musiker diskutieren diese Offenheit kritisch, legen jedoch zugleich Wert darauf, Teil der sich in Israel herausbildenden Kultur zu bleiben. Es wurde eine zunehmende Ausstrahlung der israelischen Entwicklungen auf das Repertoire in der Türkei beobachtet. Während das vorliegende Projekt untersuchte, in welchen Anteilen und Aspekten das sephardische Lied in Israel gegenüber der Türkei fortbesteht und in welcher Form eine „moderne Renaissance" festzustellen ist, soll in einer Nachfolgestudie die dem Projekt übergeordnete Frage nach zeitgemäßen Möglichkeiten einer Bestimmung des Begriffes von einer „Jüdischen Musik" in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt werden. Die vorliegenden Ergebnisse verweisen auf einen in Israel erfolgenden Paradigmenwechsel bezüglich jüdischer Identitätsbildung, der von den sephardischen Gemeinden in der türkischen Diaspora nur verhalten geteilt wird; dennoch finden israelische Lieder sephardischer Tradition Eingang in das türkische Repertoire.

 
 

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