Georg Simmels Geschlechtertheorien im Fin de Siècle Berlin
Final Report Abstract
Anders als für seine Kollegen, gehörte die Reflexion des Geschlechlerverhältnisses zu einem immer wiederkehrenden Thema im Werk Georg Simmeis. Konfinuieriich finden sich dazu sowohl Einschübe in seinen größeren Werken, wie auch eigenständige Essays. Veröffenfiicht hat Simmel diese Texte über mehr als zwanzig Jahre, in einem Zeitraum, der von tiefgreifenden historischen Umbrüchen geprägt war, die insbesondere auch die Geschlechterrollen betrafen. Ausgangspunkt dieses Projektes war erstens die Frage danach, wie sich diese Verändemngen in Simmeis Nachdenken über Geschlechterverhältnisse widerspiegeln und zweitens, in welcher Weise sich in den Schriften zur Geschlechtertheorie die Entwicklung des Werkes hin zu einer Theorie der Moderne abbildet. Aus der Bearbeitung dieses Projektes ergaben sich vier Phasen in Simmeis Nachdenken über Geschlechterverhältnisse: Unmittelbarer Anlass für die Beschäftigung mit dem Thema war der Aufbruch bildungsbürgerlicher Frauen um Georg Simmel, deren leitendes Mofiv der Wunsch nach weiblicher Individuation war. Simmel suchte eine Antwort aufdie Frage nach dem "Wesen" der Frauen zunächst über den Begriff der "Psychologie", mithin mit einem methodischen Instrumentarium, das er während des Studiums und in den ersten Berufsjahren kennengelernt hatte. Dabei spielte der von Spencer popularisierte, in der Biologie wurzelnde und in die Körper hineinreichende Begriff der Differenziemng eine wichtige syslematische Rolle. Diese soziologische Sicht erfuhr in einem zweiten Anlauf eine ungemeine Erweiterung durch die Einbeziehung anthropologischer Quellen. Auch hier war für Simmeis Denken charakterisfisch, dass er einer deutschen Tradifion folgte, die sich gegenüber linearen enlwicklungsgeschichüichen Theorien eine gmndsätzliche Skepsis bewahrte. Die Auseinandersetzung mit Nietzsche und Stefan George führte in einem dritten Schritt dazu, dass Simmel das den Frauen - und vor allem der Frauenbewegung - "Wesentliche" in einer "weiblichen Kultur" suchte, die der herrschenden männlichen Kultur als das "Andere" abgerungen werden musste. In einem vierten und letzten Schritt schließlich kam gegenüber dieser kulturalistischen Sichtweise zweierlei in Bewegung: Zum einen entwickelte sich die bis dahin stafisch gedachte Beziehung zwischen einem männlich Absoluten und einem weiblich Relativen zu einer Wechselwirkung, bei der - unter veränderter Perspektive - die Posilionen vertauscht werden können. Zum anderen band Simmel die Geschlechterdualiiät in ein Wechselspiel fundamentaler Allgemeinheiten ein, die - aufdie Geschlechter verweisend, aber mit ihnen nicht identisch - als Referenzpunkte dienen, die das semantische Feld ihrer Wirklichkeiten auffächern.
Publications
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Rezension; Caroline Ami, Entzweiungen. Die Krise der Ehe um 1900. Köln/ Weimar/ Wien 2004: Böhlau. In: Simmel Studies 16 (2006), S. 107-111.