Bruchmechanische Verzweigungsanalyse zur Entstehung dreidimensionaler Rissmuster
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Phänomen der Rissmusterentstehung stellt ein anschauliches und numerisch nachvollziehbares Beispiel für spontane Strukturbildung dar. Im Ergebnis dieses Projektes gelang es erstmalig, einfache dreidimensionale Rissmuster zu berechnen, die durch Zugspannungen infolge inhomogener Schrumpfung durch Wärme- oder Stofftransport wachsen. Aufgrund wechselseitiger Entlastung bleiben Risse oder Teile einer Rissfront zurück. Für idealisierte periodische Rissanordnungen wurden durch bruchmechanische Verzweigungsanalyse kritische Last- und Geometrieparameter berechnet, für die eine gültige Lösung instabil wird und in eine neue übergeht. Dadurch konnte die Frage beantwortet werden, warum verschiedene Typen von Rissmustern entstehen. Untersucht wurde für 3 charakteristische Rissmuster (Thermoschockrisse, Tunnelrisse zwischen Glasplatten sowie Säulen bildende Risse in Keramiken, trocknender Stärke und Basalt), wie die Rissabstände von Rissgeschwindigkeit und Rissgeometrie abhängen. Dabei ist zu unterscheiden, ob die Rissmuster instationär oder stationär wachsen. Für instationär wachsende Rissmuster nehmen die Rissabstände potenzartig mit der Risslänge zu und sind bei Thermoschockrissen umgekehrt proportional zur Rissgeschwindigkeit. Bei Tunnelrissen sind die Rissabstände nahezu konstant. Als Ursache für diesen anderen Typ instationärer Rissmuster wurde die durch die Rissgeometrie stark reduzierte Wechselwirkung zwischen den Tunnelrissen erkannt. Für stationär wachsende Rissmuster, wie Stärke- und Basaltsäulen mit konstanten Durchmessern, wurde gezeigt, dass entgegen der Annahme in der Literatur eine Verzweigungslösung auch für zusammenhängende dreidimensionale (3D) Rissmuster existiert. Anders als bei der Projektformulierung erwartet, unterscheiden sich die berechneten kritischen Rissabstände nur unwesentlich von denjenigen zweidimensionaler (2D) Rissmodelle. Zum Verständnis der Herausbildung der Basaltsäulen wurde ein neuer Mechanismus gefunden, für den die Wechselwirkung zwischen Riss- und Erstarrungsfront der flüssigen Lava eine wesentliche Rolle spielt. Die Berechnungen zeigen, dass die Durchmesser von Stärkesäulen und Basaltsäulen nach dem gleichen Potenzgesetz mit zunehmender Wachstumsgeschwindigkeit abnehmen. Die theoretischen Untersuchungen wurden wesentlich durch experimentelle Ergebnisse in der Literatur und durch eigene Experimente befördert. Die postulierte Verzweigungsmode basiert auf computertomographischen Aufnahmen des Säulenwachstums in trocknender Stärke. Es gelang, die Lage der Rissausbreitungsfront insitu zu messen. Für alle untersuchten Rissmuster wurde eine gute quantitative Übereinstimmung zwischen Theorie und Experiment gefunden. Diese konnte so nicht erwartet werden, insbesondere auch deshalb, weil erst während der Laufzeit des Projektes neue experimentelle Ergebnisse in der Literatur veröffentlicht wurden. Die Ergebnisse dieses Projektes sind bisher in 3 Publikationen in internationalen Fachzeitschriften veröffentlicht, wobei die bruchmechanische Verzweigungsanalyse der Basaltsäulen eine besonders positive Begutachtung fand. Eine weitere Veröffentlichung wurde eingereicht, und eine Veröffentlichung ist in Vorbereitung. Mit den entwickelten Methoden und erzielten Ergebnissen im Grenzbereich zwischen Ingenieurwissenschaften, Physik und Geophysik ist die Bearbeitung erweiterter und neuer Fragestellungen möglich, die zum Teil auch attraktiv für experimentelle Gruppen sind bzw. sein können, z. B. • Bestimmung einer der Werkstoffcharakterisierung dienenden Restfestigkeit endlicher Proben nach Thermoschockbelastung. Frühere 2D Untersuchungen können mit den in diesem Projekt entwickelten computertomographischen Methoden zur 3D Analyse erweitert werden. • Optimierung von Rissstrukturen für verschiedene Anwendungsfälle. • Visko-elastische Analyse der Herausbildung von Basaltsäulen. • Bruchmechanische Analyse kritischer Wellenlängen von oszillierenden Säulendurchmessern in Basalt. In der Natur werden häufig derartige Oszillationen beobachtet, über die auch in der Literatur berichtet wird. • Berechnung von 3D Rissmustern mit sternförmigen Säulenquerschnitten. • Die entwickelte Methode zur in-situ Messung des Rissfortschritts mittels Röntgendurchstrahlung lässt sich auf andere Werkstoffe und Belastungssituationen übertragen und ist auch bei weitaus höheren Rissfortschrittsgeschwindigkeiten anwendbar.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Self-driven tunneling crack arrays - 3D-fracture mechanics bifurcation analysis. International Journal of Fracture, 141, 2006, S. 345–356
M. Hofmann, H.-A. Bahr, T. Linse, U. Bahr, H. Balke und H.-J. Weiss
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Diameter of basalt columns derived from fracture mechanics bifurcation analysis. Physical Review E, 79, 2009, S. 056103
H.-A. Bahr, M. Hofmann, H.-J. Weiss, U. Bahr, G. Fischer und H. Balke
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On the diameter of basalt columns, eingeladener Vortrag zum AGU (American Geophysical Union) Fall Meeting 2009, 14. 12. - 18. 12. 2009, San Francisco, Kalifornien USA
M. Hofmann, H. Bahr, H. Weiss, G. Fischer, J. Nellesen und H. Balke
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Vortragseinladung zum FAST (Fluides, Automatique et Systèmes Thermiques) des CNRS (Centre national de la recherche scientifique) nach Paris (02.06.- 04. 06. 2010)
M. Hofmann