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Römisches Reiterkastell Heidenheim/Brenz

Fachliche Zuordnung Ur- und Frühgeschichte (weltweit)
Förderung Förderung von 2004 bis 2006
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5429008
 
Erstellungsjahr 2007

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Kastell Heidenheim war bedeutendster Standort des sog. "Alb-Limes", der westlichen Militärgrenze der Provinz Raefia im 2. Jh. Als Besatzung ist die ala IIFlavia mittiariapia fidelis durch Inschriften bezeugt, ein 1000 Mann starkes Reiterregiment. Im Rahmen des zweijährigen Projekts wurden die umfangreichen Ausgrabungen 2000-2004 ausgewertet, die neue Erkenntnisse über die Baracken und damit die alltäglichen Lebensverhältnisse der Soldaten, über die Wehrarchitektur sowie über Militäranlagen außerhalb des Kastells (Manöverplatz, Pferdekoppeln, Abfalldeponien und Wasserkanal) erbrachten. Nach Aussage der Funde wurde Heidenheim im Zuge der Neuorganisation der Grenzen nach den Dakerkriegen Trajans um 110 n. Chr. in Nachfolge des Donaukastells Günzburg gegründet. Anfanglich bestand eine Holz-Erde-Befestigung mit Rasensodenmauer und partiell zweiphasigen Holztürmen; stets gab es nur einen Spitzgraben. Von den ersten leichten Fachwerkunterkünften (hibernacula) blieben archäologisch nur Grubenreihen übrig, für die eine Deutung als Erdkeller der Wohnstuben vorgeschlagen wird (Phase 1). Wenige Jahre später errichtete man insgesamt 24 massive, in Pfostengräbchen fundamentierte Fachwerkbaracken, davon 10 doppelte und 2 einfache (Phase 2). Jede dieser Stallbaracken, die 13 Wohnstuben für je 3-4 Soldaten mit den Pferdeställen unter einem Dach vereinte, beherbergte eine Schwadron (turma). An einem Ende dieser über 81 m langen Kasernen befand sich eine 14,5 x 11,5 m große Offizierswohnung, am anderen ein kleinerer "Endbau" für den Vizeoffizier. Parallelen für die punktsymmetrische Anordnung der Barackenköpfe beschränken sich auf Rätien und den Kommandobezirk der Legion von Vindonissa im 1. Jh. Die unter Auxiliarbaracken bisher einmalige Anzahl von 13 Stubengemeinschaften (contubernia) unterstreicht die Spitzenposition der ala müliaria unter den Hilfstruppen und im Falle Rätiens als Führungstruppe des Provinzheeres bis um 170 n. Chr. Die sich aus dem Befund ergebenden Anhaltspunkte für eine zweistöckige Rekonstruktion der Doppelbaracken (Giebelhöhe über 8 m) wurden unter baufachlicher Beratung erörtert. Das Ergebnis wurde als Teilmodell im Maßstab l: l im Limesmuseum Aalen nachgebaut und ist dort dauerhaft zu besichtigen. Die Barackenbefunde belegen eine ausgeklügelte Bautechnik: Es handelte sich um klaren Vermessungsprinzipien unterworfene Fertigbauten aus Holz. Der Nachweis ihrer Aufbautechnik sowie der Vorgehensweise beim auf "Recycling" bedachten Abriss erfolgt hier erstmalig ausführlich. Der Kern der Baracken bestand bis zur Aufgabe des Kastells um 155/160 n. Chr. Neben partiellen Umbauten/Erneuerungen (Phasen 2a-b) erfuhren nur die Kopfbauten einen Neubau (Phase 3), der nie vollendet wurde: Die Limesvorverlegung scheint die Garnison überrascht zu haben. Die Umwehrung wurde kaum vor 140 n. Chr. in Stein ausgebaut. Befunderhaltung und - analyse ermöglichen es, den Abriss eines Kastells in Friedenszeiten recht detailliert nachzuvollziehen. Hervorzuheben sind ein auf mindestens 20 m Länge umgestürzter Mauerabschnitt (Höhe mit Wehrgang 5,5-6,0 m) und sekundär verwendete Spolien (Phase 4) eines 3,2 m breiten und einst ca. 4,5 m hohen Torbogens. Die Fundmünzen stellen termini post quos für den Barackenbau, aber keine historisch aussagekräftige Schlussmünze bereit. Das Enddatum wird aus dem Fundspektrum in Kombination mit der Anfangsdatierung des Nachfolgekastells Aalen abgeleitet. Es überrascht die Verwendung südgallischer Sigillatagefäße bis zum Schluss sowie das Vorkommen Rheinzaberner Sigillata im Abrisshorizont (Phase 3). Dem Kastell kommt die Relevanz eines "dated site" fur die 1. Hälfte des 2. Jhs. zu, das feinchronologisch eingeordnete Fundmaterial steht nun in Übersichtskapiteln und Typentafeln für Referenzen zur Verfügung. Epigraphische Quellen bekunden die Rekrutierung in verschiedenen Provinzen und eine für Hilfstruppenverhältnisse überdurchschnittlich gute Latinisierung und Vertrautheit mit Schrift. Im Gegensatz zu anderen alae milliariae nahm die ala IIFlavia vorwiegend provinzspezifische Aufträge wahr (u. a. Verwaltung) und diente nicht als Expeditionstruppe.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • M. Scholz, Einefabrica im Limeskastell Aalen. Arch. Ausgr. Baden-Württemberg 2004, 125-129.

  • M. Scholz, Militärische Architektur und ihre gezielte Demontage im Alenkastell Heidenheim/Brenz. In: Limes XIX. Proceedings of the XIXth International Congress of Roman Frontier Studies (Pecs 2005) 847-855.

  • M. Scholz, So lebten die römischen Soldaten. In: Imperium Romanum. Ausstellungskatalog Stuttgart 2005, 232-240.

  • M. Scholz, u. a., Eine römische Villa rustica und völkerwanderungszeitliche Bauernhäuser bei Heidenheim-Schnaitheim. Heidenheimer Jahrb. 2005/06 [2006], 64-94.

  • M. Scholz, Zwei Kastelle - eine starke Truppe. Arch. Deutschland 1/2006, 36-40.

  • M. Scholz, Zwei Wirtschaftsbauten im Kastell Aalen. In: A. Thiel (Hrsg.), Forschungen zur Funktion des Limes. 3. Fachkolloquium der Deutschen Limeskommmission 17./18. Februar 2005 in Weißenburg i. Bay. (Stuttgart 2007) 107-119.

  • M. Scholz., Campus. Ein Exerzierplatz der ala IIFlavia müiaria in Heidenheim. Arch. Ausgr. Baden- Württemberg 2004,129-132.

 
 

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