Verwaltungsentscheidungen in internationalen Institutionen: Durch Regelbindung und Deliberation zu gemeinwohlverträglichen Entscheidungen?
Final Report Abstract
Ausgehend von der Beobachtung, dass bestehende internationale Regime und Organisationen über differenzierte Entscheidungsprozesse verfügen, an denen eine Vielzahl unterschiedlicher Gremien und Akteure beteiligt ist, wurde untersucht, ob und aufgrund welcher sozialen Mechanismen komplexere Entscheidungsverfahren systematisch zu Ergebnissen führen können, die stärker gemeinwohlorientiert sind, als dies von einfachen zwischenstaatlichen Verhandlungsprozessen gemeinhin erwartet wird. Internationale Institutionen wurden als Entscheidungssysteme konzipiert, die den jeweils beteiligten staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren Handlungschancen zuweisen und damit selbst Einfluss auf die in ihrem Rahmen erzeugten Entscheidungen gewinnen. Es wurde ein theoretisches Konzept der Untersuchung differenzierter Entscheidungsverfahren erarbeitet, das erkennen ließ, unler welchen Bedingungen die Ausgestaltung von Enlscheidungsprozessen internationaler Institutionen dazu führt, dass die erzeugten Entscheidungen nicht durch die Machtverteilung unler den beteiligten Akteuren beeinflusst werden, und der diskursiven Problemlösung dadurch Raum bietet. Das Diskursprinzip legt eine Form der funktionalen Differenzierung von Enlscheidungsprozessen nahe, durch die die Entwicklung von Entscheidungskriterien und deren Anwendung im Einzelfall systematisch voneinander getrennt werden. Auf der Ebene der Kriteriensetzung treffen politische Akteure grundsätzliche Entscheidungen über die Verfahren und die inhaltlichen Kriterien, nach denen die Einzelfallentscheidungen getroffen werden sollen. Auf der Normanwendungsebene entscheiden dieselben oder andere Akteure über einzelne Fälle oder kleinteiligere Regeln im Lichte der geltenden Kriterien. Die diskursfördernde Wirkung institutionalisierter Entscheidungsverfahren beruht auf den unmittelbaren Auswirkungen dieser Form der Differenzierung auf alle beteiligten Teilentscheidungsprozesse. Die Trennung der beiden Enlscheidungsfunktionen ändert das Kalkül der auf der Normsetzungsebene tätigen politischen Akteure, weil diese ihre fallspezifischen Präferenzen an dieser Stelle nicht mehr umsetzen können. Auf der nachgeordneten Ebene werden hingegen relativ kleinteilige Entscheidungen im Rahmen stark strukturierter Entscheidungssiluationen getroffen. Die theoretisch abgeleiteten Hypothesen wurden durch die empirische Analyse geeigneter Entscheidungsprozesse von drei internationalen Institutionen aus zwei Poli- tikfeldern geprüft. Untersucht wurde die Listung gefährdeter Pflanzen und Tierarten im Rahmen der Konvention über den Handel mit gefährdeten Pflanzen- und Tierarten, die Vergabe von klimaförderiichen Projekten im Rahmen des Clean Development Mechanisms des Kyoto Protokolls und die Vergabe von Entwicklungsprojekten im Rahmen der Weltbank. In allen Fällen fallen die Entscheidungen im Rahmen vertikal und horizontal ausdifferenzierte Entscheidungsprozesse. Die empirische Untersuchung von konfliktreichen Entscheidungen zeigt, dass die Verfahren aufgrund des vermuteten theoretischen Zusammenhangs in der Regel in der Lage sind, sachgerechte Entscheidungen zu erzeugen, obwohl mächtige Akteure - z.B. die jeweiligen Mitgliedstaaten - beteiligt sind. Allerdings wurden auch die Grenzen dieses Zusammenhangs erkennbar. Ein Vergleich der Institutionen lässt erkennen, dass unterschiedlich ausgestaltete Verfahren zu ähnlichen Ergebnissen führen. Die Verfahren unterscheiden sich erheblich im Ausmaß ihrer Verrechtlichung und ihrer horizontalen Differenzierung, aber Schwächen in der einen Dimension können durch eine Stärkung der anderen Dimension ausgeglichen werden. Dies deutet darauf hin, dass die im Projekt identifizierten Mechanismen in gewissen Grenzen funktional äquivalent sind.
Publications
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