Alterungsphänomene und dynamisches Skalenverhalten in Systemen fern vom Gleichgewicht
Final Report Abstract
Während mit der klassischen Ensembletheorie von Gibbs und Boltzmann eine wohl etablierte mikroskopische Beschreibung von Vielteilchensystemen im Gleichgewicht vorliegt, ist ein entsprechender Zugang für Nichtgleichgewichtssysteme derzeit nicht bekannt. Angetrieben durch die Entwicklung neuer experimenteller Methoden, die eine zeitlich und räumlich aufgelöste Untersuchung der Dynamik von Systemen fern des Gleichgewichts ermöglichen, gibt es seit einigen Jahren verstärkte Bemühungen, einen allgemeinen theoretischen Zugang auch für Nichtgleichgewichtssysteme zu entwickeln, Nichtgleichgewichtsphänomene zeichnen sich durch eine sehr große Vielfalt und Komplexität aus, die es zunächst als eher unwahrscheinlich erscheinen lassen, dass eine vollständige Beschreibung durch Angabe einiger weniger allgemeiner Prinzipien möglich ist. Zwar wurden bemerkenswerte Fortschritte bei der Beschreibung von stationären Zuständen (wie sie zum Beispiel in getriebenen Systemen auftreten) erzielt, doch ist das theoretische Verständnis des Relaxierens eines Systems zum stationären Zustand hin (sei dies ein Gleichgewichtszustand wie bei einfachen magnetischen Systemen oder ein Nichtgleichgewichtszustand wie bei getriebenen Systemen) sehr unvollständig. Das Auftreten von Alterungsphänomenen charakterisiert physikalische Systeme, die sich nicht in einem stationären Zustand befinden. Als Alterungsphänomene versteht man dabei die Tatsache, dass Zweizeitengröfien wie die Autokorrelation oder die Selbstantwort nicht nur Funktionen der Zeitdifferenz sind (wie dies der Fall im stationären Zustand ist), sondern auf komplizierte Weise von beiden Zeiten abhängen. Dieses Verhalten ist in einer Vielzahl von Systemen experimentell gut untersucht (wie zum Beispiel in Gläsern, Spingläsern, Kolloiden, aber auch in einfachen magnetischen Systemen sowie in lebenden Zellen). Insbesondere wird diese Nichtgleichgewichtseigenschaft in den Material Wissenschaften bewusst ausgenutzt, um die Eigenschaften eines Materials dadurch zu modifizieren, dass der Altervmgsprozess zu einem bestimmten Zeitpunkt unterbrochen wird. Diese Abhängigkeit der physikalischen Eigenschaften einer Probe von ihrer Vorgeschichte lässt auf den ersten Blick eine allgemeine theoretische Beschreibung unmöglich erscheinen. Um so wichtiger war deswegen die erstmals im Jahr 1978 von L. C. E. Struik gemachte Beobachtung, dass viele alternde Systeme ein dynamisches Skalenverhalten aufweisen. Als Folge hiervon zeigen dynamische Größen in sehr unterschiedlichen Systemen ein gleiches Verhalten, was auf universale Eigenschaften von Nichtgleichgewichtssystemen im Alterungsregime hinweist. Im Rahmen des von der DFG geförderten Projekts haben wir einen Beitrag zum besseren Verständnis der Physik von Systemen fern vom Gleichgewicht geliefert. Hierbei konzentrierten wir uns auf eine breite Klasse von Systemen, die dadurch charakterisiert sind, dass es nur eine relevante Längenskala L gibt, die mit einer Potenz der Zeit t anwächst, L(t) ~ t1/z, wobei z der dynamische Exponent ist. Theoretisch werden diese Systeme durch stochastische Langevingleichungen beschrieben. In unserer Arbeit ist es gelungen, ein besseres Verständnis für die Raum-Zeit-Symmetrien zu entwickeln, die diesen stochastischen Langevingleichungen zugrunde liegen. Diese Raum-Zeit-Symmetrien werden von uns benutzt, um explizite Ausdrücke für Korrelations- und Antwortfunktionen für beliebige Werte des dynamischen Exponenten z herzuleiten (in der Vergangenheit war nur die Vorgehensweise für den Spezialfall z = 1 bekannt). Desweiteren haben wir das Studium von Alterungsphänomenen auf Fälle ausgedehnt, die vorher nicht untersucht worden sind. So haben wir erstmals nachgewiesen, dass Altern an Oberflächen in Systemen auftritt, bei denen es zur Phasenordnung kommt. Unsere Untersuchung von Reaktions-Diffusionsmodellen zeigt, dass Alterungsprozesse auch dann auftreten, wenn der stationäre Zustand ein Nichtgleichgewichtszustand ist. Schließlich haben wir gezeigt, dass Alterungsphänomene auch beim Oberflächen wachst um beobachtet werden.
Publications
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