Experimentelle Studien zum Entwurf von Multi-Agenten-Systemen zur Simulation des Verhaltens von Verkehrsteilnehmern
Economic Theory
Final Report Abstract
Ziel des Forschungsvorhabens war es in einem interdisziplinären Ansatz Verkehrssituationen in Experimenten mit monetären Anreizen zu untersuchen und Verhaltensmodelle als Multi-Agenten-Systeme zu entwickeln, die es ermöglichen Reaktionen von Verkehrsteilnehmern auf Verkehrsinformaiionen zu beschreiben. Zur Verbesserung der Verkehrsprobleme gibt es bereits eine Vielzahl von Erkenntnissen und Lösungsansätzen aus unterschiedlichen Wissenschaftsbereichen. Besonders erfolgreich in der technischen Beschreibung von Verkehrsströtnen sind zellularere Automaten-Modelle wie das von Nagel und Schreckenberg. Diese Modelle sind von großem Interesse bei der Entwicklung intelligenter Verkehrsinformationssysteme. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass derartige Informationssysteme nur dann erfolgreich sein können, wenn sie von den Verkehrsteilnehmern akzeptiert werden. Während diese Systeme zum Teil einen hohen technischen Standard erreicht haben, ist die Reaktion der Verkehrsteilnehmer auf die neuen Informationsquellen bisher weitestgehend unbekannt. Es ist nicht klar, ob mehr Information für Verkehrsteilnehmer den Verkehrsfluss günstig beeinflusst. Verkehrsteilnehmer, die eine zu große Informationsmenge erhalten, neigen dazu einfache Heuristiken zu bilden. Hierbei können Überreaktionen entstehen, die zusätzliche Fluktuationen hervorrufen. Um derartige Reaktionen besser zu verstehen, ist es notwendig das Lernverhalten der Verkehrsteilnehmer intensiver zu untersuchen. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse sollten eingesetzt werden, um die Wirksamkeit technischer Lösungen schon im Vorfeld zu analysieren und damit kostenintensive Feldversuche zu vermeiden. Das methodische Rüstzeug stellt die experimentelle Wirtschaffsforschung zu Verfügung. Die experimentelle Wirtschaftsforschung ist eine empirische Disziplin, deren Datenbasis in grundsätzlich replizierbaren Experimental Sitzungen gewonnen wird. In diesen Sitzungen werden Versuchspersonen mit einer ökonomisch relevanten Situation, z.B. einer Verhandlungs situation, einem simulierten Markt oder einer modellierten Verkehrs situation konfrontiert. Damit geeignete Anreizstrukturen vorliegen, werden die Versuchspersonen erfolgsabhängig bezahlt. Der Erfolg hängt dabei im Allgemeinen nicht allein von den eigenen Entscheidungen ab, sondern auch ganz wesentlich von der Interaktion mit anderen Teilnehmern. In diesem Projekt sollten die erzielten empirischen Erkenntnisse über das Verhalten der Versuchspersonen als Grundlage zum Entwurf von Multi-Agenten-Systemen (MAS) dienen. Die Gründe für das wachsende Interesse an der MAS, die diesen Ansatz insbesondere auch für die Analyse sozialer Systeme interessant machen, liegen darin, dass hier eine natürliche Sichtweise auf offene, intelligente Systeme vermittelt wird, die - ähnlich wie reale System(ausschnitt)e - zu groß und komplex sind, als dass sie vollständig charakterisiert werden können. Anders als die meisten anderen Ansätze sind agentenbasierte Sirmilationsmodelle zudem in der Lage, dynamisch veränderbare Strukturen in die Modellbeschreibung aufzunehmen und damit einer grundlegenden Eigenschaft sozialer Systeme Rechnung zu tragen, die in klassischen Ansätzen kaum erfasst werden kann. Es konnte in den Experimenten gezeigt werden, dass bestimmte Informationen mittlere Fahrtzeiten von Experimentsteilnehmer reduzieren können. Dies war etwa der Fall, wenn mittlere Fahrtzeiten von zwei Alternativrouten zwischen zwei Punkten den Versuchspersonen zur Verfugung gestellt wurden. Ein weiteres Hauptergebnis war der statistische Nachweis zweier für die Simulationen bedeutender Verhaltentypen: • Direkter Verhaltenstyp: Ein Versuchsteilnehmer, der keine Auszahlung auf der zuletzt gewählten Strecke hatte, konnte die Strecke wechseln, um die Strecke zu suchen, auf der sich weniger Teilnehmer befinden. Dieses entspricht dem direkten Verhaltestyp. Versuchsteilnehmer dieses Typs wechseln die Strecke, wenn sie in der letzten Runde keine Auszahlung hatten und bleiben auf der zuletzt gewählten Strecke, falls sie eine positive Auszahlung hatten. • Gegenläufige Verhaltenstyp: Versuchsteilnehmer, die gegenläufig handeln, erwarten, dass die weniger gefüllte Strecke attraktiv für andere Versuchsteilnehmer, sein könnte. So bleibt er auf seiner Strecke, wenn er keine Auszahlung in der letzten Runde hatte und wechselt die Strecke, falls er eine Auszahlung in der letzten Runde hatte. Bei einem Vergleich von chinesischen und deutschen Versuchspersonen konnte gezeigt werden, dass bei chinesischen Versuchsteilnehmern ein signifikant höherer Anteil von gegenläufigen Verhaltenstypen vorherrschte. Der empirische Nachweis der Verhaltenstypen war für die Verbesserung von Multi- Agenten-Modellen zur Simulation der Verhaltenstypen essentiell. Erst durch die methodische Erweiterung der Reinforcement-Verfahren durch komplexere Strategien, wie etwa dem direkten und gegenläufigen Verhalten, konnte eine hinreichend gute Vorhersage der experimentellen Daten erzielt werden. Aufgrund dieses Projektes konnten zahlreiche weitere Kooperationen mit inländischen und ausländischen Forschungseinrichtungen etabliert werden.
Publications
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