Regierungsorganisation als Institutionenpolitik? Ein westeuropäischer Vergleich
Final Report Abstract
Gegenstand des Projekts ist die Regierungsorganisation in drei westeuropäischen Ländern (Deutschland, Dänemark, Großbritannien), die seit den frühen 1990er Jahren durch Europäisierung, Globalisierung und die Krise des Wohlfahrtsstaates unter erhöhtem Anpassungsdruck stehen. Während sich das politikwissenschaftliche Interesse meist auf den allgemeinen Wandel der "Staatlichkeit" oder die konkreten Veränderungen von Politikinhalten konzentriert, wird hier in vergleichender Perspektive nach dem Wandel von politischen Strukturen und Prozessen der Regierungsorganisation, insbesondere der Ministerialverwaltung, gefragt. Ausgangshypothese des Projekts war, dass die westeuropäischen Regierungssysteme auf die externen Herausforderungen mit Änderungen ihrer "Produktionsstruktur" von Gesetzen und Programmen reagiert haben. Daraus ergeben sich folgende Kernfragen: Welche Veränderungen der Regierungsorganisationen sind zu identifizieren? Handelt es sich dabei um Ergebnisse einer reflexiven Institutionenpolitik? Ändert sich die strategische Handlungsfähigkeit der Regierungsorganisation? In dem Forschungsprojekt wurde der Wandel der Regierungsorganisation entlang zweier Analysedimensionen untersucht: (1) horizontalen Interaktionen in der Regierungsorganisation und (2) der vertikalen Interaktionen in der Regierungsorganisation. Insgesamt zeigt die Forschung, dass sich empirisch ein erheblicher Wandel in den Ministerialverwaltungen der drei Untersuchungsländer identifizieren lässt. Zum einen lassen sich in der horizontalen Dimension Kräfteverschiebungen sowohl zwischen den Akteuren der Regierungsorganisation, d.h. vor allem zwischen Regierungszentrale und Ministerien als auch innerhalb der Ressorts zwischen Leitung und Linienorganisation nachzeichnen, die sich auf die inter- und interministerielle Koordination in der Regierungsorganisation auswirken und zuvorderst einem insgesamt gestiegenen Koordinationsbedarf Rechnung tragen. Zum anderen lassen sich in der vertikalen Dimension Veränderungen aufspüren, die geeignet sind, das traditionelle hierarchisch geprägte Kräfteverhältnis zwischen Ministerien und nachgeordneten Behörden durch zielorientierte Steuerung und größere Unabhängigkeit der Behörden zu verändern. Die Forschung des DFG-Projekts verdeutlicht, dass Wandel in der Regierungsorganisation sowohl als emergenter Prozess stattfindet als auch durch explizite Institutionenpolitik ausgelöst wird. Diese kann sowohl in einem formalen Reformprozess realisiert werden als auch durch den strategischen Umgang der beteiligten Akteure mit den institutionellen Spielregeln aktiviert werden. Das Projekt zeigt, dass sowohl emergenter als auch intendierter Wandel einen Effekt auf die strategische Handlungsfähigkeit der Regierungsorganisation haben kann, nicht notwendigerweise aber haben muss. Vielmehr ist eine differenzierte Perspektive auf Wandlungsprozesse und deren Bewertung anzulegen, die institutionelle Spielregeln und Filter, Organisationsinteressen sowie verwaltungspolitische Positionen im Blick hat.
Publications
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- (2013): Nunmehr alles Governance, oder was? Über die Bedeutung von Verwaltung, Institutionen und Institutionentheorie; in: Bumke, Christian/Meinel, Florian/Voßkuhle, Andreas (Hrsg.): Verabschiedung und Wiederentdeckung des Staates im Spannungsfeld der Disziplinen, Berlin, Duncker & Humblot, 93-109
Jann, Werner