Echtzeit-Untersuchungen von ferroelektrischen Softmode-Phasenübergängen
Final Report Abstract
Modulierte Ferroelektrika besitzen außerordentlich interessante strukturelle und elektrische Eigenschaften. Insbesondere die Substanzklasse der A2BX4-Verbindungen weist eine Vielzahl inkommensurabel (INC) und kommensurabel (C) modulierter Phasen auf, die mitunter, wie in K2Se04, durch weiche Gitterschwingungen induziert werden. Dabei lässt sich die INC-Phase nahe der lock-in Umwandlung in die C-Phase häufig als geordnete Folge ferroelektrischer Nanodomänen mit abwechselnd antiparalleler Polarisation beschreiben (Solitonen-Bereich). Ziel des gegenwärtigen Projektes war, das Umwandlungsverhalten auf atomarer Ebene bei Anwendung externer elektrischer Felder zu studieren und zugrunde liegende Mechanismen und deren Kinetik in Echtzeit-Experimenten aufzuklären. Schwerpunkt der Untersuchungen war das System K2Se04. Durch Kombination von hochaufgelöster y-Diffraktion, Neutronenstreuung und dielektrischer Spektroskopie konnte nachgewiesen werden, dass die ferroelektrische Phase entgegen der bisherigen Vorstellungen nicht durch die Anwendung eines Feldes stabilisiert wird. Vielmehr entsteht eine neue intermediäre Phase, deren Existenzbereich mit zunehmender Feldstärke größer wird. Dementsprechend findet man auch unter dem Einfluss gepulster elektrischer Felder ein komplexes Schaltverhalten mit temperaturabhängigen Relaxationszeiten im Bereich von Millisekunden. Gitterschwingungen, insbesondere die weiche Phasenmode, werden dagegen praktisch nicht von externen Feldern beeinflusst. Diese Beobachtung deutet darauf hin, dass die Phononen-Kohärenzlängen kleiner als die Domänengrößen sind und dass elektrische Felder lediglich eine Verschiebung der Domänenwände (Diskommensurationen) bewirken, nicht jedoch eine substantielle Veränderung der chemischen Bindung innerhalb der Nanodomänen. Wie im isotypen Rb2ZnCl4 wurde auch im K2Se04 eine dynamische Stabilisierung der INC-Phase gefunden, da bei genügend schneller Feldänderung die mechanischen Spannungsfelder im Umfeld der Domänenwände nicht schnell genug relaxieren können. Als weiteres ferroelektrisches Modellsystem mit Softmode-Übergängen haben wir SrTiOa untersucht, das unter feldfreien Bedingungen zwar eine antiferrodistortive Umwandlung in eine orthorhombische Phase aufweist, aber selbst bei tiefsten Temperaturen nicht ferroelektrisch ordnet, obwohl es eine weiche polare Gitterschwingung gibt. Es gelingt allerdings durch Anwendung eines elektrischen Feldes die Polare Phase zu induzieren, wobei sich auch das Gitterschwingungsspektrum drastisch verändert. Es ist gelungen, die Kinetik dieses Überganges unter dem Einfluss gepulster Felder zu studieren. Charakteristische Relaxationszeiten liegen im ps- Bereich. Interessanterweise verändert ein elektrisches Feld auch die Domänenverteilung der antiferrodistortiven Phase. Daher erhält man beim Abkühlen unter statischem Feld einen völlig anderen Zustand, der durch ein deutlich weicheres polares Phonon und damit durch geringere Bindungskräfte charakterisiert ist.
Publications
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"Schaltverhalten modulierter Ferroelektrika" Deutsche Tagung für Forschung mit Synchrotronstrahlung, Neutronen und lonenstrahlen an Großgeräten, Hamburg, Oktober 2006
J. Leist, G. Gibhardt, K. Hradil, H. Schneider, G. Eckold
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"Dynamik der feldinduzierten ferroelektrischen Umwandlung in SrTiOs mit inelastischer Neutronenstreuung" Jahrestagung der DGK, Bremen 2007
J. Leist, H. Gibhardt, K. Hradil, G. Eckold
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"Electric field induced ferroelectric phase transition in Strontium Titanate" European Conference on Neutron Scattering, Lund, 2007
J. Leist, H. Gibhardt, K. Hradil and G. Eckold
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"Kinetics ofthe field induced lock-in transition in K2Se04" SKIN 2007, International Symposium in Time-Resolved Processes in Condensed Matter, Göttingen 2007
J. Leist, H. Gibhardt, K. Hradil, G. Eckold
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"Kinetik der ferroelektrischen Umwandlungen in A2BX4- Verbindungen" 106. Bunsentagung, Graz 2007
A. Gand, H. Gibhardt, J. Leist, K. Hradil, G. Eckold
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"Kinetik der Phasenumwandlungen in K2Se04 und SrTiOs unter dem Einfluss eines elektrischen Feldes" Dissertation, Universität Göttingen 2008
J. Leist