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Die "Verwissenschaftlichung des Sozialen". Wissenstransfer zwischen Schweden und Deutschland 1880-1930

Subject Area Modern and Contemporary History
Term from 2005 to 2012
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 5451649
 
Final Report Year 2011

Final Report Abstract

Das Forschungsprojekt widmete sich der Frage, welche Rolle der Austausch von (Fach-)Wissen über Ländergrenzen hinweg in den Verwissenschaftlichungsprozessen um die Jahrhundertwende 1900 spielte. Die „soziale Frage" stand zu dieser Zeit in allen europäischen Gesellschaften als dringendes Problem auf der Tagesordnung und verlangte nach Lösungen, für deren Zustandekommen wissenschaftliches Expertenwissen eine immer größere Rolle spielte. Und auch wenn dabei die einzelnen Nationalstaaten verschiedene Wege gingen und unterschiedliche Formen von Sozialstaaten errichteten, geschah dies nicht ohne den „Blick auf die Anderen". Trotz der gegenwärtigen Konjunktur übernationaler Fragestellungen in der Geschichtsschreibung sind Studien mit Bezug zu Nordeuropa immer noch selten, dabei finden wir gerade hier Entwicklungen, die als Korrektiv für „vermeintlich zentrale Grundlinien der 'europäischen' Geschichte" (Etzemüller) dienen können. Daher war es Ziel dieses Projekts zu untersuchen, inwiefern Schweden als kleines Land an der Peripherie Europas und späterer Vorzeige-Wohlfahrtsstaat Einfluss auf den Diskurs zur sozialen Frage im Nachbarland Deutschland nahm. Im Fokus stand vor allem die Rolle schwedischer Nationalökonomen, sowohl ihre Beziehungen zur deutschen Wissenschaftslandschaft als auch ihr Wirken in der Öffentlichkeit und ihre Kontakte zur Politik. Es konnte nachgewiesen werden, dass Schweden nicht nur als „präkapitalistische Idylle" wahrgenommen wurde, wie sie sich in den populären Bildern Carl Larssons spiegelte, und auch nicht nur eine zwischen Deutschen und Skandinaviern vermutete „Stammverwandtschaft" für das Interesse am Norden verantwortlich war, sondern darüber hinaus weitere ganz verschiedene Motive eine Rolle spielten. Vor allem aber wurde deutlich, dass tatsächlich auch ein wissenschaftlicher Austausch zu den drängenden Fragen der Zeit stattfand. Vor allem am Beispiel von drei schwedischen Wissenschaftlern wurde dieser Wissenstransfer untersucht: Gustaf Steffen, der als erster Soziologe Schwedens gilt und enge Kontakte zur deutschen Sozialdemokratie pflegte; Knut Wicksell, dessen Arbeiten internationale Aufmerksamkeit weckten und bis heute rezipiert werden; und vor allem Gustav Cassel, der neben Wicksell als Begründer der modernen schwedischen Nationalökonomie gilt und in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts in Deutschland und weit darüber hinaus eine erstaunliche Popularität genoss, heute jedoch weitgehend vergessen ist. Die Gründe für die Prominenz waren unterschiedliche: Steffen erlangte vor allem als geistiger Unterstützer Deutschlands im ersten Weltkrieg und als Gegner Englands Bedeutung; bei Wicksell standen seine wissenschaftlichen Verdienste im Vordergrund; und Cassel füllte mit seinem Hauptwerk, der Theoretischen Sozialökonomie, disziplinare Lücken, die durch die Krise der deutschen Nationalökonomie nach dem Ende der Historischen Schule entstanden waren. Anhand dieser drei Wissenschaftler lassen sich die verschiedenen Motive, die zu wissenschaftlichem Transfer führen, in unterschiedlichen Ausprägungen zeigen und gleichzeitig wird vielfach klar, wie sehr Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit miteinander verwoben sind. Nicht zuletzt entstehen neue Einblicke in die Situation der Nationalökonomie in Deutschland zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die als Ergänzung zu diesbezüglichen aktuellen Forschungen dienen können. Darüber hinaus waren alle drei Wissenschaftler nicht nur in Deutschland aktiv, sondern in größere Netzwerke eingebunden und illustrieren somit einen Ausschnitt einer „europäischen Gelehrtenrepublik".

Publications

  • Gelehrte, Politik und Öffentlichkeit. Eine Intellektuellengeschichte. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2006
    Gangolf Hübinger
 
 

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