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Das Ende der Vielfalt? Die Regulierung nationaler Corporate Governance-Regime zwischen Markt und Mehrebenensystem

Subject Area Political Science
Term from 2005 to 2012
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 5452702
 
Final Report Year 2015

Final Report Abstract

Die Frage nach der Konvergenz oder fortbestehenden Divergenz zwischen verschiedenen nationalen Variationen des Kapitalismus bewegt die vergleichende Forschung zur institutionellen politischen Ökonomie seit Beginn der 1990er Jahre. Das Projekt beschäftigte sich mit diesem Problem am Beispiel der Regulierung von Corporate Governance, also der internen und externen Mechanismen zur Steuerung und Kontrolle von Unternehmen. Einerseits handelt es sich bei Corporate Governance um ein Kernelement des Institutionensystems nationaler Marktwirtschaften, das sich, sollten die Annahmen der institutionalistisch ausgerichteten „Varieties-of-Capitalism"-Schule zutreffen, als stark veränderungsresistent erweisen müsste. Andererseits sind die Spielräume für die Aufrechterhaltung kapitalistischer Vielfalt mittlerweile erheblich gesunken. Globalisierung und Liberalisierung von Finanz- und Produktmärkten, die Bestrebungen der EU zur Harmonisierung der rechtlichen Rahmenbedingungen des europäischen Binnenmarktes, aber auch veränderte Strategien von Unternehmen und institutionellen Investoren wie Pensions- und Investmentfonds setzen nationale Marktwirtschaften unter Druck, ihr Institutionensystem einander anzugleichen. Kommt es mit der Integration von Wirtschaftsräumen zur Konvergenz, Divergenz oder neuen Mischungsverhältnissen in den Strukturen nationaler Corporate Governance Regime? Welche Faktoren treiben Transformationsprozesse an oder behindern diese? Das Projekt ging diesen Fragen im Rahmen einer vergleichenden Untersuchung des Wandels nationaler Corporate Governance-Regime in den USA, Großbritannien und Deutschland nach. Insgesamt demonstrieren die Befunde einen allgemeinen Trend der Anpassung regulativer Standards an das angelsächsische Vorbild marktorientierter Corporate Governance (CG). Auch innerhalb der beiden angelsächsischen Länder kam es zu einer stärkeren Orientierung an Aktionärsinteressen im Sinne einer größeren Bedeutung von Transparenz und Verantwortlichkeit der Arbeit der Leitungsorgane sowie der Thematisierung von Interessenkonftikten durch Überlappung von Kontroll- und Leitungsfunktionen. Im Ländervergleich erwiesen sich Großbritannien und die USA in aller Regel als Vorbilder für die regulativen Veränderungen, während Deutschland eher als Nachzügler angelsächsische Regulierungselemente adaptierte oder auch diese modifizierte. Ein zentraler Befund der Projektarbeit ist, dass die Unterscheidung von internen und externen Mechanismen der CG sowie solchen an der Schnittstelle zwischen innen und außen (Rechnungslegung) zentral für das Verständnis von Graden und Mustern der Transformation ist. Wie sich zeigte, variierten Wandel und Antriebskräfte je nach Dimension von CG erheblich. Der sektoral unterschiedliche Grad an regulativer Transformation wurde durch jeweils unterschiedliche Präferenzen der nationalen „Schlüsselkoalitionen" (vgl. hierzu Amable) in Verbindung mit externem Anpassungsdruck erklärt. Im Bereich der externen CG bestand der geringste Anpassungsdruck und auch ein Interesse der nationalen Schlüsselakteure am Erhalt bestehender Regulierungsstrukturen. Ein moderater Anpassungsdruck zeigte sich im Bereich der internen CG. Die Präferenzen der nationalen Schlüsselakteure hinsichtlich des Grades an erwünschter Konvergenz variierten hier zwischen Großbritannien und Deutschland. Während in Großbritannien Unternehmen unter Druck der institutionellen Investoren die Entwicklung selbstregulativer Codes mit dem Ziel der Stärkung der Aufsichtsfunktion des Leitungsorgans vorantrieben, verteidigten in Deutschland Unternehmen und Gewerkschaften Kernelemente des nationalen CG-Modells wie die Mitbestimmung und das zweistufige Aufsichtssystem. Im Bereich der Rechnungslegung bestand hoher Anpassungsdruck, ausgeübt durch unilaterales Handeln der USA und auch forcierten Harmonisierungsbemühungen der EU. Hinzu kam in Deutschland eine klare Präferenz großer börsennotierter Unternehmen, internationale Standards der Rechnungslegung zu übernehmen, um ungehinderten Zugang zu internationalen Kapitalmärkten zu erhalten. Insgesamt zeigen die Projektergebnisse eine größere Inkohärenz in nationalen Modellen der CG-Regulierung als ursprünglich angenommen. Studien des institutionellen Wandels im modernen Kapitalismus sollten ihr Augenmerk demnach sehr viel stärker auf die sektorale bzw. Mesoebene richten statt nationale Modelle zu fokussieren.

Publications

  • (2008) Mechanismen institutionellen Wandels im deutschen Kapitalismus. Die Regeln der deutschen Unternehmensverfassung im Umbruch, in: Berliner Journal für Soziologie 18 (4), 575-595
    Susanne Lütz/ Dagmar Eberle
  • (2007) Corporate Governance, in: Arthur Benz / Susanne Lütz / Uwe Schimank / Georg Simonis (Hrsg.): Handbuch Governance. Theoretische Grundlagen und empirische Anwendungsfelder, Wiesbaden, VS, 378-389
    Dagmar Eberle
  • (2008) Varieties of Change in German Capitalism. Transforming the Rules of Corporate Control, in: New Political Economy 13 (4), 377- 395
    Susanne Lütz / Dagmar Eberle
  • (2009) Zwischen Anbau und Substitution - das deutsche Corporate Governance-System im Umbruch, in: Sebastian Botzem / Jeanette Hofmann / Sigrid Quack / Gunnar Folke Schuppert / Holger Straßheim (Hrsg.): Governance als Prozess. Koordinationsformen im Wandel, Baden-Baden, Nomos, 409-433
    Susanne Lütz / Dagmar Eberle
  • (2010) Private interests and the EU-US dispute on audit regulation: The role of the European accounting profession, in: Review of International Political Economy, 18 (4), 436-459
    Dagmar Eberie / Dorothee Lauter
  • (2011) Transatlantic Regulation. Special Issue der Zeitschrift Review of International Political Economy 18 (4)
    Susanne Lütz, Hrsg.
  • (2011) Varieties of private selfregulation in European capitalism: corporate governance codes in the UK and Germany, in: Socio-Economic Review 9, 315-338
    Susanne Lütz / Dagmar Eberle / Dorothee Lauter
  • (2011). Back to the future? The domestic sources of transatlantic regulation. Introduction to the Special issue, in: Review of International Political Economy 18 (4), iii-xxii)
    Susanne Lütz
  • (2014) Transatlantic Regulation. London/New York: Routledge
    Susanne Lütz, Ed.
 
 

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