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Differenzierung und Individualisierung der Verfolgung. Die Transformation von Verfolgungsnetzwerken des Holocaust am Beispiel Belgiens, 1940-1944

Fachliche Zuordnung Politikwissenschaft
Förderung Förderung von 2005 bis 2013
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5453443
 
Erstellungsjahr 2009

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die Untersuchung hat erstmals ein differenziertes Bild der gegen die Juden gerichteten Verfolgungsapparate in Belgien unter deutscher Besatzung in den Jahren 1940-1944 erbracht. Folgende Schlüsselergebnisse lassen sich festhalten: Die Mehrzahl der aus Belgien deportierten Juden wurde nicht in großen Festnahmeaktionen, sondern einzeln oder in kleinen Gruppen verhaftet. Der gegen die Juden gerichtete Verfolgungsapparat war stark arbeitsteilig organisiert. Dienststellen der Wehrmacht und der Reichsfinanzverwaltung wirkten bei der Verhaftung der Juden mit; ohne ihre Beteiligung wäre die Zahl der Opfer niedriger gewesen. Allerdings stand die Instanzen von Sipo-SD in quantitativer Hinsicht deutlich an erster Stelle. Die Mitwirkung der regulären belgischen Polizei blieb bei den Einzelverhaftungen marginal. Die Sipo-SD war auf informelle Gehilfen − darunter eine Anzahl Juden − und Kollaborateure angewiesen, ohne deren Mitwirkung der deutsche Polizeiapparat weniger Juden verhaftet hätte. Da diese Helfershelfer keine exekutiven Befugnisse innehatten, ist fraglich, ob es in ihrem Fall zu einer tatsächlichen Arbeitsteilung und Machtdifferenzierung kam. Für die Mitwirkung der nichtjüdischen Zuträger spielten sowohl ideologische als auch materielle Motive eine Rolle; präzise Feststellungen oder Gewichtungen hinsichtlich der Beweggründe dieser Helfershelfer lässt die Quellenlage nicht zu. Die vorliegende Forschung geht davon aus, dass aus Antwerpen ein viel größerer Anteil der jüdischen Bevölkerung deportiert wurde als aus Brüssel. Wie unsere Untersuchung zeigt, ist diese Annahme überprüfungsbedürftig, da der Anteil der Brüsseler Juden in den Deportationszügen ab Herbst 1942 zunahm und diese zumindest in manchen Transporten der Jahre 1943 und 1944 die übergroße Mehrheit stellten. Von uns neu aufgefundene Quellen belegen erstmals, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen den individuellen Überlebensstrategien der Juden und den Handlungsstrategien der Sipo-SD sowie der Ausgestaltung der Verfolgungsapparate bestand. Im Rahmen der Untersuchung wurden zum ersten Mal systematisch die Rettungsanstrengungen derjenigen Juden aufgearbeitet, die schließlich doch verhaftet, deportiert und ermordet wurden und von denen die Deutschen jede Spur auslöschen wollten.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Face à la traque. Comment les Juifs furent arrêtés en Belgique (1942-1944), in: Les Cahiers de la Mémoire Contemporaine 6 (2005), S. 161-203
    Insa Meinen
  • Transitland Belgien. Jüdische Flüchtlinge in Westeuropa während der Zeit der Deportationen 1942, in: Theresienstädter Studien und Dokumente 14 (2007), S. 378-431
    Ahlrich Meyer und Insa Meinen
  • Die Deportation der Juden aus Belgien und das Devisenschutzkommando, in: Besatzung, Kollaboration, Holocaust. Neue Studien zur Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden (= Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Heft 2/2008), S. 45-79
    Insa Meinen
  • Facing deportation. How Jews were arrested in Belgium, in: Yad Vashem Studies, 36/1 (2008), S. 39-72
    Insa Meinen
  • Le XXIe convoi: études biographiques (Première partie), in: Les Cahiers de la Mémoire Contemporaine 7 (2006-2007), S. 57-109; 8 (2008), S. 35-98 (Deuxième partie)
    Insa Meinen und Ahlrich Meyer
  • Le XXIe convoi: études biographiques et synthèse (Deuxième partie), in: Les Cahiers de la Mémoire Contemporaine 8 (2008), S. 35-98
    Insa Meinen und Ahlrich Meyer
  • Die Shoah in Belgien, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2009
    Insa Meinen
 
 

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