Kontrollgesellschaft; soziale Prekarität; Regime von Arbeit
Final Report Abstract
Im Mittelpunkt des Projektes standen die Regime von Erwerbsarbeit (in den Formen Selbständigkeit und abhängige Beschäftigung) und von Erwerbslosigkeit, in denen, so die These, ökonomische und soziale Prekaritäten dazu beitragen, aus den Individuen selbst heraus vollzogene Anpassungen an Marktprozesse zu bewirken und derart die Lebensführung zu modulieren. Zu rekonstruieren wäre dabei die Widersprüchlichkeit aus Freiwilligkeit und Zwang, die ein 'Regieren mittels Unsicherheit' konstituiert. Untersucht wurden hierzu in drei empirischen Säulen die funktionale Bedeutung der Hartz-Gesetzgebung, die Erfahrungen von kleinen Selbständigen mit dieser Arbeitsform und die von Beschäftigten in Konzernen der Energiewirtschaft, des Verkehrs- und Bankwesens und der Chemieindustrie. Alle drei Regime lassen sich interpretieren als das programmatische Bemühen, im Rahmen einer hegemonialen Erzählung von Aktivität Mechanismen der Verlagerung von Verantwortung auf die Individuen zu etablieren. So ist das gesamte Instrumentarium der Hartz-Gesetze darauf angelegt, mithilfe der Figur des 'erwerbsfähigen Hilfebedürftigen', der Regelungen von Zumutbarkeiten und der Einführung einer Eingliederungsvereinbarung individuelle Verantwortlichkeiten für die eigene Erwerbslosigkeit herzustellen, was sich in der Formel vom 'Fördern und Fordern' zu einem umfassenden Management des Sozialen verbindet. Inhaltlich werden damit Verfahrensweisen sowohl disziplinierenden Charakters wie solche eingeführt, die den Akzent auf die Selbsteinstellungen der Betroffenen legen. Selbstunternehmer hingegen agieren aus sich heraus unternehmerisch, wenngleich oft aus einer Zwangslage heraus. Dennoch artikulieren sie in der Formel, 'ihr eigener Herr' zu sein, als Freiheit der Freiheit eine authentisch wirkende Rhetorik der Chance. Das schließt allerdings als Unfreiheit der Freiheit auch einen Knecht-Anteil ein, denn die Selbstunternehmung verlangt eine vielfältig modulierte Technologie des Selbst, die sowohl Selbstmanagement wie das Management des Selbstmanagements umfasst. Freiheit und Unfreiheit stehen dabei in einem direkten Verhältnis zum Etablierungsgrad der eigenen Unternehmung. Dieser ist nur zu beeinflussen durch Performance als Arbeitsleistung und Performance als Darstellungsleistung, die im Kleinunternehmer beide zusammenfallen. Vor dem Hintergrund von Proletarisierungsgefährdung bleibt angesichts dieser Anforderungen die Erfolgsgewissheit der kleinen Selbständigen eher schwankend und prekär. Das ist bei Angestellten in Großkonzernen auf charakteristische Weise anders. Sie unterliegen einem Regime von Arbeit, das im Instrument der Zielvereinbarungen heteronome Lenkung und Leistungsvorgabe mit dem Freiheitsraum einer eigenständigen Umsetzung vereint. Diese Freiräume fügen sich ein in die permanenten Umstrukturierungen, wie sie viele Konzerne bestimmen, sodass Selbstmanagement zum Change Management der eigenen Routinen wird. Die von den Beschäftigten formulierte Rhetorik der Chance lässt sich dabei als eine aktive Form der Angstbewältigung verstehen. Diese Angstbewältigung wird durch eine hoch ausgeprägte Erfolgsgewissheit überbaut und formt sich zu einer Individualisierung des Geschicks aus, das dann als eine weitgehend vom Selbstmanagement abhängige Variable erscheint. Die Modulationen von Arbeit und von Nicht-Arbeit beleuchten den Mechanismus eines 'Regierens mittels Unsicherheit' in vielfaltigen Details. Diese Form des Regierens prägt die Mentalitäten, auf unterschiedliche Weise zwar, doch immer im Sinne jenes individualisierten unternehmerischen Idealbilds, auf das die hegemonialen Erzählungen von Eigenverantwortung und Flexibilität hinauslaufen. Etabliert wird ein Mechanismus zur Beförderung einer governance of being active, wie sie den Betriebsmodus gegenwärtiger Gesellschaftlichkeit ausmacht.
Publications
- 'Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt' - Zur politischen Ratio der Hartz-Gesetze. Leviathan 4, 2006, S. 514-532
Aldo Legnaro
- Subjektivierung, Erwerbsarbeit und die Doppelbödigkeiten des Regierens. 27.6.2006 im Rahmen der Ringvorlesung 'Subjekte zu verkaufen' an der Universität Düsseldorf
Aldo Legnaro