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Thermisches Belastungskollektiv bei der Bohrbearbeitung gewebeverstärkter Polymere

Fachliche Zuordnung Spanende und abtragende Fertigungstechnik
Förderung Förderung von 2005 bis 2007
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5454928
 
Erstellungsjahr 2006

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Ziel des Projektes war es, das thermische Belastungskollektiv bei der Bohrbearbeitung von verstärkten und unverstärkten Polymerwerkstoffen zu analysieren. Dabei stand im Vordergrund, zu ergründen, unter welchen Prozessbedingungen sich welche Temperaturen einstellen. Um ein ganzheitliches Bild des thermischen Belastungskollektivs bei der Bearbeitung zu bekommen, wurden Temperaturen im Werkzeug, in den Spänen sowie im Werkstück gemessen. Die Temperaturen im Werkzeug sowie im Werkstück wurden mit Hilfe von Thermoelementen aufgenommen, die Temperatur der Späne mittels Kalorimeter bestimmt. Auf Messungen mit Hilfe der Videothermographie oder der Pyrometrie wurde in diesem Zusammenhang verzichtet, da die Methoden auf optischer Basis ein Erreichen der Wirkstelle nur schwer ermöglichen und die Unscharfe der Messergebnisse zu groß ist. Im Rahmen der Untersuchungen sind die Prozessbedingungen, wie beispielsweise Schnittgeschwindigkeit, Vorschub, Anschliff der Werkzeuge, etc. variiert worden. In diesem Zusammenhang wurde ebenfalls untersucht, welchen Einfluss die verschiedenen Kunststoffe bedingt durch ihren Aufbau (Polymermatrix, Füllstoff) auf die Temperaturentwicklung haben. Ein zusätzlicher Aspekt hat sich durch die prozesstemperaturbedingte Schädigung ergeben. Bei der Bohrbearbeitung der ungefüllten aber auch der gefüllten, also der verstärkten Kunststoffe, sind die gemessenen Temperaturen im Werkzeug vergleichsweise hoch. Diese steigen zu Bohrungsbeginn stark an und erreichen ein Temperaturniveau, welches bei den hier betrachteten Thermoplasten im Bereich der Schmelztemperatur des Polymermaterials liegt. Bei den ebenso untersuchten gewebeverstärkten, duroplastischen Verbundwerkstoffen steigen die Werkzeugtemperaturen auf Werte von ca. 400 °C an, womit die Zersetzungstemperatur für diese Kunststoffgruppe erreicht wird. Zudem zeigen die Ergebnisse, dass ein wesentlicher Einfluss der Schnittgeschwindigkeit auf die Werkzeugtemperaturen besteht. Bei höheren Schnittgeschwindigkeiten werden demnach höhere Temperaturen gemessen. Die Bearbeitung mit verschiedenen Vorschüben verdeutlicht, dass die Werkzeugtemperaturen geringer ausfallen, wenn hohe Vorschübe gewählt werden. Das hängt damit zusammen, dass der Werkzeugweg durch das Werkstück und somit die Einwirkdauer kürzer ist. Mit Hilfe eines speziell konzipierten Kalorimeters wurden die Temperaturen der Späne gemessen, wobei die durch die Bearbeitung erhitzten Späne in ein Sitikönölbad gelangen und nach dem Einstellen des thermischen Gleichgewichts die Mischungstemperatur des Bades mit Thermoelementen gemessen wird. Mit Hilfe der Ausgangstemperatur des Öls, der Massen von Öl und Spänen sowie der Mischungstemperatur ist die mittlere Temperatur der Späne sowie der Wärmeinhalt der Späne berechnet worden. Die auf diese Weise bestimmten Temperaturen in den Spänen ergeben, je nach den gewählten Prozessbedingungen, für die Bearbeitung eines hochgefüllten, gewebeverstärkten Epoxidharzes Temperaturen im Bereich zwischen 40 und 70°C, Bei erhöhten Schnittgeschwindigkeiten nimmt die mittlere Temperatur der Späne zu, wobei bezüglich der Werkzeuggeometrie ebenfalls eine deutliche Abhängigkeit zu verzeichnen ist. Die Spantemperatur weist einen steigenden aber asymptotischen Verlauf in Abhängigkeit zum eingestellten Vorschub auf. Bei den Thermoplasten ist die Bestimmung der Spantemperaturen mit Schwierigkeiten verbunden, da die Thermoplaste zur Gruppe der langspanenden Werkstoffe zählen. Bei der Messung der Temperaturen gelangen hier die Späne nicht vollständig in das Silikonölbad, da sich diese teilweise um das Bohrwerkzeug wickeln. Das glasfaser- bzw. carbonfaserverstärkte Epoxidharz bildet dagegen kurze Späne, die komplett vom Ölbad aufgenommen werden. Die Temperaturen im Werkstück sind unmittelbar an der Bohrungswand mit Hilfe von Thermoelementen bestimmt worden. Dabei wurde die Probe möglichst gut thermisch isoliert, um Temperaturverluste und somit fehlerhafte Messungen zu vermeiden. Hier hat sich herausgestellt, dass bei den ungefüllten, thermoplastischen Werkstoffen die höchsten Werkstücktemperaturen auftreten. Dagegen werden geringere Temperaturen gemessen, wenn der Werkstoff mit Verstärkungsfasern gefüllt ist. Die Verstärkungsfasern verursachen zwar höhere Schnittkräfte und vermehrte Reibung, was zu einer höheren Temperaturentwicklung beiträgt, die Wärmeleiteigenschaften werden jedoch dadurch auch verändert, so dass sich hierbei zwei gegenläufige Effekte überlagern. Einen wesentlichen Einfluss auf die Wärmeverteilung beim Bohren verstärkter und unverstärkter Kunststoffe hat der Wärmeeindringkoeffizient b. Dieser bestimmt, wie viel Wärme anteilmäßig in das Werkstück bzw. in die Späne und in das Werkzeug abfließt. Die Wärmekapazität sowie die Wärmeleitfähigkeit allein reichen als physikalische Größe nicht aus, die beobachteten Zusammenhänge zu erklären. Die bei der Bohrbearbeitung von Kunststoffen auftretenden Temperaturen haben Veränderungen der Randzone zur Folge und beeinflussen darüber hinaus die Oberflächentopographie der Bohrungswand nachhaltig. Die Prozesstemperaturen beim Bohren der untersuchten Kunststoffe tragen auch zum Werkzeug verschleiß bei. Dazu wurden Versuchsreihen an glasfasergewebe- bzw. kohlefasergewebeverstärkten Epoxidharzen durchgeführt, wobei unter den Bedingungen der Trockenbearbeitung und unter Einsatz von Kühlschmierstoff gearbeitet wurde. Als Kühlschmierstoff wurde in diesem Zusammenhang lediglich reines Wasser verwendet, um nur eine Kühlwirkung zu erzielen und eine Reibungsminderung auszuschließen. Beim Einsatz von Wasser als Kuh l Schmierstoff wird der Werkzeugverschleiß erheblich reduziert. Im Vergleich hierzu können die Werkzeugtemperaturen von bis zu 400 °C bei der Trockenbearbeitung unter Verwendung von Hartmetall und polykristallinem Diamant zum Herauslösen der Kobalt-Bindephase führen, welches den Verschleißfortschritt initiiert. Für die Bearbeitung von faserverstärkten bzw. gewebeverstärkten Kunststoffen werden speziell angeschliffene Werkzeuge verwendet. Diese speziellen Anschliffformen sollen dazu dienen, Ausfransungen oder Delaminationen bei der Bearbeitung zu reduzieren. Versuche mit diesen Werkzeugen verdeutlichen, dass bei bestimmten Einsatzfällen solche Delaminationen zu verhindern sind, wenn entsprechend abgestimmte Prozessparameter eingestellt werden. Jedoch treten bei diesen Werkzeugen starke Verbrennungen auf, was im Besonderen bei kohlefaserverstärkten bzw. glasfaserverstärkten Epoxidharzen zu verzeichnen ist. Hierbei ergibt sich eine weitere Problemstellung. Diese lässt sich einerseits auf die einzusetzenden Anschnittformen und den damit einhergehenden langen Bearbeitungszeiten zurückführen. Mit diesen speziellen Anschliffen kann zwar eine mechanische Schädigung der Bohrung verhindert werden, die thermische Schädigung nimmt aber deutlich zu. Die teilweise sehr lang ausgezogenen Anschnittteile solcher Bohrwerkzeuge verlängern aus diesem Grund die Zykluszeit. Während des Eingriffs verursachen diese Werkzeuge Reibung mit den Nebenschneiden und die längeren Hauptzeiten tragen zu einer erhöhten Akkumulation der Wärme in die Werkstückrandzone bei. Die Temperaturen während der Bohrbearbeitung führen zu einer Schädigung der Randzone, was durch die bisherigen Untersuchungen belegt wird. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass Schmelzvorgänge und Rekristallisationsvorgänge stattfinden, da die gemessenen Temperaturen den Glasübergangs- bzw. den Schmelzpunkt der Kunststoffe zum Teil überschreiten. Bei zahlreichen Werkstoffen und insbesondere bei den Duroplasten sind nach der Bearbeitung Verbrennungen auf der bearbeiteten Oberfläche festzustellen. Während der Bearbeitung ist der Geruch organischer Zersetzungsprodukte wahrnehmbar. Dies deutet darauf hin, dass der Polymerwerkstoff durch die vorherrschenden Prozesstemperaturen zersetzt wird. Eine genaue Kenntnis, unter welchen Prozessbedingungen eine Zersetzung des Werkstoffs auftritt und welche Zersetzungsprodukte dabei entstehen, existieren zurzeit nicht. Es ist allerdings bekannt, dass die thermische Zersetzung von Epoxidharzen auf Basis von Bisphenol A bereits im Temperaturbereich zwischen 250 °C - 400 °C einsetzt. Die kurzzeitig erreichbaren Gebrauchstemperaturen der untersuchten thermoplastischen Werkstoffe werden hingegen durch die Werkzeugtemperaturen überschritten. Für Polyamid 6.6 liegt die kurzzeitige Gebrauchstemperatur bei 170 °C, die gemessene maximale Werkzeugtemperatur jedoch bei weit über 250 "C. Ähnliche Resultate bei denen die kurzzeitige Gebrauchstemperatur überschritten wurde, sind auch bei den anderen, hier untersuchten Thermoplasten beobachtet worden. Die thermische Zersetzung von Polyamiden, bei welcher niedermolekulare Fragmente entstehen, kann bereits innerhalb eines niedrigen Temperaturfensters zwischen 130-170 °C eintreten. Neben der rein thermischen Depolymerisation tritt bei erhöhten Temperaturen in Verbindung mit Luftsauerstoff auch ein thermooxidativer Abbau der Kunststoffe auf. Bei Polyoxymethylen findet eine allmähliche Depolymerisation schon bei Temperaturen oberhalb von 90 °C statt, wobei hauptsächlich Formaldehyd gebildet wird. Ab Temperaturen von 150 °C läuft der Abbau mit erhöhten Reaktionsgeschwindigkeiten ab. Darüber hinaus wird bei diesen Temperaturen eine oxidative Zersetzung des Polyoxymethyjens beschrieben. Die chemische Analyse der Zersetzungsvorgänge sowie der Zersetzungsprodukte spielt für künftige Arbeiten eine große Rolle. Erstens leiden unter dem thermischen und thermooxidativen Abbau der Polymerwerkstoffe die Festigkeitseigenschaften der Kunststoffe. Zweitens können Reaktionsprodukte (Abbauprodukte) gebildet werden, die bezüglich der Arbeitssicherheit im Produktionsumfeld eine Gefährdung darstellen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Comparing Drilling and Circular Milling for the Drill Hole Manufacture of Fiber Reinforced Composites. Production Engineering - Production Engineering, Annals of the German Academic Society for Production Engineering, Vol. XII/2 (2005) pp. 1-4.
    K. Weinert, C. Kempmann
  • Fertigung von Innengewinden in Composite-Werkstoffen. In: K. Weinert (Hrsg.): Spanende Fertigung, 4 (2005), S.372-382.
    C. Kempmann
  • Prozessgestaltung bei der Spanenden Bearbeitung von Leichtbaustrukturen. In Begleitband zum Seminar Werkzeuge für die Zerspanung, 2006, Hannover.
    Grünert, S.; Hammer, N.; Jansen, T.; Kersting, M.; Kempmann, C.; Peters, C; Weinert, K.
 
 

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