Schulqualität im Kontext sprachlich-kultureller Heterogenität. Fallstudien von Grundschulen
Final Report Abstract
Das Ziel des Projekts bestand darin, Schulqualität ausgehend von zwei normativen Prämissen zu untersuchen: a) Eine "gute Schule" berücksichtigt die unterschiedlichen sprachlichen und soziokulturellen Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler, b) In einer "guten Schule" hängen Leistungserfolge nicht von sprachlicher oder sozio-kultureller Herkunft ab. Mit einem Design ethnographischer Feldforschung wurde die Prozessqualität an zwei "guten" Grundschulen empirisch erkundet. Die Ergebnisqualität wurde anhand von Ergebnissen aus einer Leistungsvergleichsstudie berücksichtigt. Die Untersuchung gibt Aufschluss über konstruktive und Erfolg versprechende Konzepte und Arbeitsweisen im Umgang mit Heterogenität. Folgende pädagogische und organisatorische Strategien haben wir an beiden Fallschulen vorgefunden: Das pädagogische Selbstverständnis entspricht einem lebensweit- und ressourcenorientierten Ansatz. Ausgehend von der Grundannahme der, Heterogenität als Normalität' sind die Schulleitungen bereit, schulische Organisationsformen und pädagogische Konzepte zu verändern. In ihrem Führungsstil ergänzen sich Leitung und Unterstützung solchermaßen, dass die inhaltlichen Ziele in enger Zusammenarbeit mit dem gesamten Kollegium ausgearbeitet, konkretisiert und verbindlich institutionalisiert werden. Dabei gelangen die Schulen häufig an die Grenzen struktureller Vorgaben. Bei der Konzeptentwicklung auf Schulebene ist der Anspruch leitend, ganzheitliche, integrierte Ansätze, und nicht primär zusätzliche Förderangebote zu entwickeln. In dem Bewusstsein, dass eine Förderung einzelner Kinder oder bestimmter Schülergruppen außerhalb des Regelunterrichts ausgrenzend und benachteiligend oder auch bevorzugend wirken kann, wird auf eine nicht-diskriminierende Organisation von Lerngruppen geachtet Beide Fallschulen haben einen programmatischen Schwerpunkt auf der sprachlichen Bildung und begegnen der Herausforderung, allen Kindern einen Zugang zur deutschen Sprache und einen Zugang zum bildungssprachlichen Register zu eröffnen. Sprachförderung findet immer auch im Regelunterricht mit ein- und mehrsprachigen Kindern statt und wird als Aufgabe aller Lehrkräfte anerkannt. Die Analyse von Unterrichtsprotokollen enthält Hinweise darauf, dass eine Kontrolle und Lenkung des Unterrichtsdiskurses durch die Lehrkraft für den Erwerb des bildungssprachlichen Registers förderlich ist, solange die Kinder gleichzeitig hohe Redeanteile haben und an Problemlösungen beteiligt sind. Zur konstruktiven Zusammenarbeit mit Eltern gehören Strategien, Eltern zu bilden und zu stärken (z.B. Deutschkurse für Mütter), die Beteiligung unterschiedlicher Eltern zu unterstützen und gemeinsam Verantwortung für den Schulerfolg der Kinder zu übernehmen, indem z.B. informelle Kontakte zwischen Lehrkräften und Eltern aufgewertet werden, um das asymmetrische Machtverhältnis zwischen Schule und Eltern abzuschwächen. Andere Familiensprachen als Deutsch werden in der Kommunikation mit den Eltern berücksichtigt. Folgende Ergebnisse sind zentral für die einzelnen Fallschulen: An der einen Schule haben Kinder aus Familien mit geringer formaler Bildung und Kinder aus sprachlichen Minderheiten in der Leistungsvergleichsstudie erwartungswidrig gute Leistungsergebnisse erreicht. Wir interpretieren den gelungenen Leistungsausgleich als Lehrerinnen- und Jahrgangseffekt und fuhren ihn auf zwei Qualitätsmerkmale zurück: auf bekannte Merkmale eines förderlichen Unterrichts für leistungsschwache Schülerinnen und Schüler und auf die sprachliche Bildung im Sinne einer dezidierten und expliziten Hinführung zur Bildungs- und Schriftsprache. Die andere Schule zeichnet sich durch eine Schulkultur der Anerkennung aus, zu der Lehrkräfte aus ethnischen Minderheiten und ein Angebot herkunftssprachlichen Unterrichts einen wichtigen Beitrag leisten. Das professionelle Handeln in der Schule basiert auf einer reflexiven Grundhaltung, die der Reproduktion gesellschaftlicher Normen und Machtverhältnisse in pädagogischen Anerkennungsprozessen Rechnung trägt und die im Kollegium durch intensive Kooperation und Kommunikation unterstützt wird. Reflexionsprozesse beziehen sich z.B. auf die soziale Wertigkeit kultureller Praxis, die (Ir-)Relevanz ethnisch-kultureller Herkunft und die Bedeutung kultureller Praxis im Kontext aktueller Handlungssituationen.
Publications
- (2007): Bildungsstandards im Kontext ethnischer Heterogenität. Erfahrungen aus England und Perspektiven in Deutschland. In: Zeitschrift für Pädagogik 53, H. l, S. 16-33.
Fürstenau, S.
- "Zusammenarbeit im sprachlich-kulturell heterogenen Umfeld - Perspektiven von Eltern und Schule": Vortrag auf dem 21. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft "Kulturen der Bildung" in Dresden (März 2008)
Sara Fürstenau, Britta Hawighorst
- (2008): Schule in einer multiethnischen Gesellschaft. In: Sacher, W./Blömeke, S./BohI, TTHaag, L./Lang-Wojtasik, G. (Hrsg.): Handbuch Schule. Bad Heilbrunn: Klinkhardt / UTB.
Fürstenau, S.