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Die Rhetorik des Regelbruchs: erfolgreich gegen die Norm

Fachliche Zuordnung Griechische und Lateinische Philologie
Förderung Förderung seit 2024
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 547762956
 
Die antike Rhetorik hat uns eines der größten Regelwerke des Altertums hinterlassen. Zahllose Vorschriften regeln bis ins Detail, wie eine Rede erdacht, geordnet, ausformuliert, memoriert und vorgetragen werden soll. Am ausführlichsten können wir sie beim kaiserzeitlichen Rhetoriklehrer Quintilian in seinen zwölf Büchern der Institutio oratoria nachlesen. Das Verhältnis solcher Theoriefülle zur Redepraxis ist von der altphilologischen Forschung oft kritisch betrachtet worden. Und Quintilian selbst weiß sehr wohl, dass es gerade das Nicht-Einhalten der Regel sein kann, das zum rhetorischen Erfolg führt (inst. 2,13,1-8). An diesem Punkt setzt unser Projekt an: Es erforscht den Regelbruch in seinem Ablauf, seiner rhetorischen Umsetzung und seinen ethischen, ästhetischen und juristischen Implikationen. Dabei werden verschiedene Arten Regeln in Kombination mit verschiedenen rhetorischen Texten in den Blick genommen: Neben den technischen Regeln der Rhetorik selbst spielen auch gesellschaftliche Erwartungshaltungen, ethische Normen, tradierte Verhaltensweisen und persönliche Empfehlungen in der Rhetorik eine wichtige Rolle. Zu den rhetorischen Texten, in denen sie erwähnt, beschrieben oder implizit verhandelt werden, gehören neben den Lehrbuchausführungen auch Gerichtsreden, juristische Fachliteratur, politische Reden, Lobreden und Deklamationen. Ihre zeitgenössische Fortsetzung findet die Frage nach der Rhetorik des Regelbruchs zudem in modernen Bundestagsreden, philosophischen Abhandlungen und journalistischen Texten. In unserem Netzwerk wollen wir folgende zentrale Forschungsfragen an diese Texte herantragen: Was macht einen Regelbruch in der Rhetorik erfolgreich? Was unterscheidet den gelingenden, kreativen Regelbruch von einem misslingenden, Anstoß erregenden Regelbruch? Welche Effekte und welche Ästhetik zeichnen Regelbrüche aus? Welche moralischen Implikationen begleiten den Regelbruch? Was sagt der Regelbruch aus über den Akteur, ggf. über den Autor und das tatsächliche bzw. konstruierte Publikum? Inwiefern verändert die Erfahrung von Regelbrüchen die weitere Entwicklung der rhetorischen Theorie? Das vorliegende Netzwerk strebt eine Klärung dieser offenen Fragen in interdisziplinärem Zugriff vermittels Workshops, Podcasts und einer Abschlusstagung an. Zur Schärfung der eigenen Begrifflichkeit, zur Einbeziehung des soziokulturellen Kontexts und zur Gewinnung von Impulsen durch den Vergleich mit modernen Regelbrüchen in der Rhetorik gehören dem Netzwerk auch Forscherinnen und Forscher anderer Fächer als der Klassischen Philologie an, insbesondere der Allgemeinen Rhetorik, der Journalistik, der Alten Geschichte, des Rechts und der Philosophie.
DFG-Verfahren Wissenschaftliche Netzwerke
Mitverantwortlich(e) Professorin Dr. Nicola Hömke
 
 

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